Apotheose mit Mehrwert
SWer traf wen? Um welche Scuola handelte es sich? Was verbindet den älteren Künstler mit Wien?
Qein Ruf ist nicht gut, zumindest als Mensch: Er gilt als herrisch, exzentrisch und geschäftstüchtig bis hin zum Geiz. Und doch: Alle drängen sich um ihn, in der Hoffnung, in eine seiner Werkstätten aufgenommen zu werden. Bei einem Meister wie ihm, der als bester Maler Europas gerühmt wird, in die Lehre zu gehen ist eine Form des Ritterschlags. Entsprechend viele Talente klopfen bei ihm an.
So auch ein Jüngling mit hochfliegenden Plänen. Er ist besessen von der Arbeit mit Pinsel und Palette und glücklich, sich als kleiner Beiträger und Kopist von seinem Idol einiges abschauen zu können. Doch die Temperamente und Kunstauffassungen der beiden Männer vertragen sich schlecht. Der Maestro, der die Begabung seines Schülers erkannt hat und eifersüchtig überwacht, setzt den jüngeren Kollegen auf die Straße.
Der freilich findet seinen Weg und wird mit den Jahren zu einem erbitterten Konkurrenten. 1564 treffen die zwei neuerlich aufeinander. Sie sind eingeladen, Zeichnungen und Konzepte für die Gestaltung des Stammhauses einer der karitativen Bruderschaften, auch Scuole genannt, vorzulegen. Ein repräsentativer und zugleich lukrativer Auftrag.
Was der weithin gepriesene Malerfürst nicht ahnt: Sein früherer Lehrling greift zu einer List. Als der Morgen gekommen ist, da man die Skizzen präsentieren soll, macht er die Jury staunen. Es ist ihm gelungen, binnen kürzester Zeit das gesamte Bild von der „Apotheose des Heiligen Rochus“zu schaffen und an der Decke des dafür vorgesehenen Saales anzubringen. Der Applaus ist groß. Seinem Hauptkonkurrenten, der dagegen mit ziemlich leeren Händen dasteht, bleibt der Mund offen, als er auch noch miterlebt, wie der von ihm gefeuerte Mitarbeiter einen Handel vorschlägt: Er würde der Scuola das Werk kostenlos überlassen, wenn man ihm den Auftrag zuschanzen würde. Und so geschieht’s. Sein Gegenspieler, Porträtist der bedeutendsten Herrscher seiner Tage, zieht wütend ab. Aus den Augenwinkeln beobachtet er, wie der Stern des jungen Malers, des Sohns eines Färbers, zu strahlen beginnt.
Die Kunstgeschichte aber schließt Frieden zwischen den Giganten: Nicht nur Venedig nennt sie heute in einem Atemzug.