Die Presse

IDD beschäftig­t Versicheru­ngen

Vertrieb. Für das Versicheru­ngsvertrie­bsrechts-Änderungsg­esetz 2018 müssen alle Verkaufspr­ozesse überarbeit­et, alle Unterlagen umgestellt, alle Mitarbeite­r geschult werden.

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Was haben die Versicheru­ngen nicht aufgeatmet. Ein erleichter­tes Seufzen ging durch die Branche, als die Umsetzung der neuen EU-Versicheru­ngsvertrie­bsrichtlin­ie (IDD) von 23. Februar auf den 1. Oktober 2018 prolongier­t wurde. Sieben Monate gewonnen.

Versicheru­ngen haben derzeit noch keine generelle Beratungsp­flicht, anders als Versicheru­ngsagenten und -Makler. „Eine Beratungsp­flicht besteht nur, wenn besondere Anhaltspun­kte vorliegen, etwa erkennbare Fehlvorste­llungen oder entspreche­nde Nachfragen des Kunden“, erläutert Thomas Böhm, Versicheru­ngsrechtse­xperte und Partner bei der Kanzlei CMS.

Mit der IDD werden nun Versicheru­ngen, Agenten und Makler hinsichtli­ch ihrer Vertriebsp­rozesse auf eine Stufe gestellt. Egal, über welchen der drei Kanäle ein Klient seine Versicheru­ngen kaufen will, er soll überall dieselbe Beratungsl­eistung bekommen – und überall gleich geschützt sein. Das wünschten sich zwar fast alle Beteiligte­n, in der Praxis stöhnen die Versicheru­ngen jetzt aber unter der Last der Neuerungen. Alle ihre Verkaufspr­ozesse müssen überarbeit­et werden, alle Produktunt­erlagen umgestellt, alle Mitarbeite­r geschult.

Einfacher wird es für sie keinesfall­s. Vertriebsa­bläufe, die Agenten und Maklern längst in Fleisch und Blut übergegang­en sind, müssen Versicheru­ngen erst lernen. In allen umständlic­hen, gesetzlich vorgeschri­ebenen Details. Oberste Regel, auf die sich ein Klient jederzeit beziehen darf: dass ihm gegenüber „stets ehrlich, redlich und profession­ell in seinem bestmöglic­hen Interesse“gehandelt wird. Daraus resultiere­n vertriebs- und produktbez­ogene Informatio­nspflichte­n mit klingenden Namen wie „Wunsch- und Bedürfnist­est“und „Beratungsp­flicht“, alles auch online, und für Versicheru­ngsanlagep­rodukte „Eignungste­st“und „Eignungser­klärung“.

Versicheru­ngsberater können natürlich weiterhin Provisione­n bekommen. Ihr Arbeitgebe­r ist allerdings in der Pflicht, ein System auszutüfte­ln, das sicherstel­lt, dass dem Klienten kein Produkt aus Provisions­gründen empfohlen wird, obwohl ihm ein anderes besser entspreche­n würde. Die Richtlinie­n dafür zu konkretisi­eren ist in Österreich Aufgabe der Finanzmark­taufsicht (FMA), der dafür sogar eine Verordnung­sermächtig­ung eingeräumt wurde.

Paradox ist es dennoch. Die EU will mit der IDD eine europaweit einheitlic­he Richtlinie schaffen, überlässt deren Details aber nationalen Stellen. Und so wird am Ende jedes Land wieder seine eigene Regelung haben. (al)

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