Die Presse

„Tanzten auf zu vielen Hochzeiten“

Tirol. Innsbrucks neuer grüner Bürgermeis­ter, Georg Willi, spricht über seine Wunschregi­erung und die Gründe seines Erfolgs. Der Bundespart­ei bietet er Hilfe an, um ihr Profil zu schärfen.

- VON KÖKSAL BALTACI

Innsbrucks neuer Bürgermeis­ter, Georg Willi, spricht mit der „Presse“über seine Wunschregi­erung.

Die Presse: Wie oft mussten Sie sich seit Sonntagabe­nd zwicken, um sicherzuge­hen, dass Sie sich in keinem Traum befinden? Georg Willi: Oft. Am Anfang stand die Kandidatur und der Wunsch, dieses Amt zu bekleiden. Jetzt ist es soweit, aber ich bin am anderen Ufer noch nicht angekommen.

Dennoch geht es nun Schlag auf Schlag. Nächste Woche beginnen Koalitions­verhandlun­gen. Sie wollen immer noch die Fortsetzun­g der Regierung aus Grünen, Für Innsbruck, SPÖ und ÖVP? Ja. Ich werde mit allen im Stadtsenat vertretene­n Parteien reden. Das sind die vier Regierungs­parteien plus FPÖ, mit der ich darüber sprechen will, wie sie die Kontrollfu­nktion gut ausüben kann. Ich halte sehr viel von Rudi Federspiel­s Qualitäten als Kontrolleu­r.

Er scheint aber nicht allzu viel von Ihnen zu halten und kündigte an, eine Koalition ohne die Grünen schmieden zu wollen. Das ist demokratie­politisch möglich und erlaubt. Ob es auch gescheit ist, weiß ich nicht.

Möglich ist es natürlich. Aber ist es wahrschein­lich? Nein, besonders wahrschein­lich ist es nicht. Aber wenn er so eine Koalition wirklich zustande bringt und auf Dauer aufrecht hält, dann Hut ab. Denn dafür braucht es viel politische Erfahrung und Geschick – zumal ein direkt gewählter Bürgermeis­ter in Innsbruck auch die Kompetenze­n eines Bezirkshau­ptmannes hat. Als Demokrat würde ich das jedenfalls akzeptiere­n.

So redet wohl nur jemand, der dieses Szenario für de facto ausgeschlo­ssen hält. Ihr Angebot an Christine Oppitz-Plörer, Vizebürger­meisterin zu werden, steht? Natürlich. Sie würde viel Wissen und Kompetenz mitbringen.

Sie sind der Star der Grünen. Was können die Bundespart­ei und andere grüne Landes- bzw. Stadtparte­ien von Ihnen lernen? Ich werde allen anbieten, gemeinsam unseren Wahlkampf zu analysiere­n und herauszufi­nden, welche Elemente davon auch für andere grüne Kandidaten passen könnten. Das Wichtigste ist die Stimmigkei­t zwischen Programm, Person und Auftreten. Und das hängt immer von den Rahmenbedi­ngungen in den jeweiligen Städten und Ländern ab. Niemand macht alles richtig oder alles falsch. Lothar Lockl (Wahlkampfm­anager; Anm.) hat einmal auf die Frage, warum Alexander Van der Bellen gewonnen hat, geantworte­t, dass er mehr richtig gemacht habe als die anderen Kandidaten. So sehe ich das auch. Die anderen Parteien machten vieles richtig. Aber wir haben ganz einfach mehr richtig gemacht als sie.

Was haben Sie denn besonders richtig gemacht? Im ersten Durchgang war es sicher unser Programm. Wir sprachen Themen an, die die Menschen am brennendst­en interessie­rt haben. Und lieferten überzeugen­de Antworten. Etwa beim Wohnen, Verkehr, Sicherheit. Wir hatten einfach das richtige Gespür. Im zweiten Durchgang war es wohl meine Person. Ich bin ein angreifbar­er Politiker, bin in Innsbruck aufgewachs­en und verwurzelt. Die Leute wissen, wie der Georg Willi tickt. Wer hat die Wahl unterm Strich gewonnen, Sie oder die Grünen? Sowohl als auch.

Aber wer hat den größeren Anteil am Erfolg? Ich weiß es nicht. Das sollen Politikwis­senschafte­r analysiere­n.

Sie haben das Gespür angesproch­en. Ist es den Grünen anderswo zuletzt abhanden gekommen? Das Gespür an sich nicht, aber wir haben thematisch auf zu vielen Hochzeiten getanzt. Wenn man als Partei ein Profil haben will, muss man zwar alle Themen bedienen, aber im Außenauftr­itt die Themen hervorkehr­en, die für die Menschen die wichtigste­n sind. Wenn uns jemand auf der Straße fragt, wofür wir stehen, müssen wir sofort drei klare Antworten liefern können. Das war zuletzt nicht so.

Welche Antworten wären das? Ich brauche sogar nur eine: Respekt. Respekt vor den Menschen, vor der Umwelt und vor sich selbst. Sich selbst zu respektier­en und mit sich im Reinen zu sein, ist eine gute Voraussetz­ung, um andere zu respektier­en.

Wer soll denn Spitzenkan­didat der Bundespart­ei werden? Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass diese Frage bei Werner Kogler gut aufgehoben ist.

Kommt er selbst in Frage? Ja. Wir sind uns sehr ähnlich. Wenn ich mit ihm durch Graz gehe, ist es so, wie wenn er mit mir durch Innsbruck geht.

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[ APA ] Innsbrucks neuer Bürgermeis­ter Georg Willi von den Grünen.

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