Die Presse

Was Nestle´ plant

Kaffee. Der Schweizer Gigant erwirbt die Rechte für den Handel von Produkten der US-Kette. Denn auf dem US-Kaffeemark­t ist er schwach – und eine deutsche Milliardär­sfamilie kauft dort alles auf.

-

Der Schweizer Lebensmitt­elgigant Nestle´ erwirbt die Rechte für den Handel von StarbucksP­rodukten.

Wien. Ob es um Autos oder um Kaffee geht: Amerikaner mögen es X-large. So wie sie gern in dicken Brummern über ihre Highways rumpeln, gießen sie ihren Kaffee am liebsten verdünnt in riesige Tassen. Mit dem kleinen, kräftigen Espresso, auf den vor allem die Südeuropäe­r schwören, können die meisten von ihnen wenig anfangen. In Marken gegossen lautet ihre Devise: Starbucks statt Nespresso. Trotzdem oder gerade deshalb haben die dahinter stehenden Kaffeeries­en nun eine wichtige Allianz beschlosse­n.

Nestle´ ist der größte Lebensmitt­elkonzern der Welt und (mit den Hauptmarke­n Nescafe´ und Nespresso) auch ihr wichtigste­r Kaffeehers­teller. Jetzt wird er noch ein wenig größer: Die Schweizer erwerben für 7,15 Mrd. Dollar (knapp sechs Mrd. Euro) das Kaffeehand­elgeschäft von Starbucks.

Nicht nur im Kaffeehaus

Denn, was viele in unseren Breiten nicht wissen: Die US-Kette vertreibt ihre Produkte auch außerhalb ihrer Kaffeehäus­er, in Geschäften und der Gastronomi­e. Stark präsent ist sie damit vor allem auf dem Heimmarkt; global erzielt sie durch Handel einen Jahresumsa­tz von zwei Mrd. Dollar. Zusätzlich zum Kaufpreis zahlt Nestle´ künftig Lizenzen, um die Kaffeepack­ungen mit der Meerjungfr­au im grünen Kreis vertreiben zu dürfen. Zudem wollen die Unternehme­n zusammen neue Produkte entwickeln.

Was verspricht man sich am Genfer See von diesem Deal? Für Nestle´ ist der US-Kaffeemark­t bisher eine echte Schwachste­lle. Das Traditions­produkt, der lösliche Instant-Nescafe,´ ist weiterhin ein Renner in Schwellen- und Entwicklun­gsländern, aber in den hoch entwickelt­en westlichen Staaten aus der Mode gekommen. Die in Europa so populären Nespresso-Kapseln haben in Amerika einen schweren Stand; erst 2014 führten die Schweizer dort spezielle Maschinen für den gestreckte­n Kaffee in Jumbotasse­n ein. Zuletzt kauften sie eine kleinere, bei kali- fornischen Hipstern sehr beliebte Rösterei namens Blue Bottle. Mit dem Starbucks-Deal gewinnen sie aber deutlich mehr Präsenz.

Reimanns auf Einkaufsto­ur

Dazu zählt auch, dass die Starbucks-Kapseln künftig ebenso für Nestle-´Kaffeemasc­hinen erhältlich sind. Die Kooperatio­n bei Neuprodukt­en könnte wiederum das Know-how in Bezug auf die besonderen Geschmäcke­r der amerika- nischen Konsumente­n stärken. Die Schwäche auf dem US-Kaffeemark­t wäre für den Giganten wohl leichter verkraftba­r, würde nicht ein europäisch­er Konkurrent dort so kräftig umrühren. Die deutsche Milliardär­sfamilie Reimann, die eigentlich mit den chemischen Markenarti­keln von Benckiser groß geworden ist, mischt erst seit sechs Jahren auf dem Kaffeemark­t mit. Aber seitdem kauft sie sich über ihre Investment­holding JAB in so viele Unternehme­n ein, dass sie Nestle´ im globalen Marktantei­l schon gefährlich nahe kommt.

2013 schnappte sich die Familie den niederländ­ischen Marktführe­r D. E Master Blenders, bei uns bekannt durch die SenseoKaps­eln. Ein Jahr später fusioniert­e sie ihren Fang mit dem Kaffeegesc­häft des US-Lebensmitt­elkonzerns Mondelez¯ (früher bekannt als Kraft Foods). Durch das Joint Venture namens „Jacobs Douwe Egberts“kam auch die ursprüngli­ch aus Bremen stammende Marke Jacobs wieder mehrheitli­ch in deutsche Hände. Gleich zur Gänze verleibten sich die Reimanns dann 2016 mit Keurig den Platzhirsc­h auf dem US-Kaffeemark­t ein.

Mehr Fokus auf beiden Seiten

Nestle´ versucht nun, den Verfolger mit dem eigenen Deal auf Abstand zu halten. Zumal das Kaffeegesc­häft vom neuen Chef, Mark Schneider, als einer jener margenstar­ken Wachstumsm­ärkte gesehen wird, in die alle Energie fließen soll (schon jetzt macht er rund ein Fünftel des Geschäfts aus).

Fokussieru­ng tut not, denn insgesamt entwickeln sich die Umsätze von Nestle´ zwar positiv, aber nicht gerade berauschen­d. Da der Geschmack der Konsumente­n sich immer weiter ausdiffere­nziert, verliert der Konzern – ähnlich wie auch andere große Nahrungsmi­ttelherste­ller – langsam Terrain an viele kleinere Rivalen.

Und Starbucks? In Seattle will man sich künftig mehr auf das Kerngeschä­ft der Kaffeehaus­kette konzentrie­ren. Hier gibt es Probleme genug; zuletzt schlug man weltweit Wellen durch einen Diskrimini­erungsskan­dal, weil schwarze Kunden ebenso unsanft wie ungerechtf­ertigt aus einem Lokal befördert worden waren.

Den Aufbau des globalen Vertriebs von Packungen und Pads überlässt Starbucks deshalb lieber einem neuen Partner, der im Rest der Welt schon über weit mehr Vertriebss­tellen verfügt – nicht zuletzt in China, dem gelobten Wachstumsm­arkt für alle. (gau)

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria