Die Presse

BVT-Affäre: Die Geheimauss­agen der Belastungs­zeugen

Ermittlung. In den Aussagen finden sich viele Emotionen, aber wenig bis keine Beweise.

- VON ANNA THALHAMMER diepresse.com/bvt

Wien. Die Affäre rund um das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) ist auch eine Geschichte der gekränkten Seelen und der Rache. Das legen die Aussagen jener vier Belastungs­zeugen nahe, deren Identität wie Vernehmung­en bisher unter Verschluss gehalten wurden. Der „Presse“liegen die Protokolle nun vor. Sie rücken das Vorgehen und die Rolle von Innen- und Justizmini­sterium weiter in ein fragliches Licht.

Denn bisher führte die Justiz eben jene Zeugen als Hauptgrund für die Hausdurchs­uchung im BVT und die Suspendier­ung des Direktors Peter Gridling sowie weiterer Mitarbeite­r an. Ihre Aussagen hätten Vorwürfe gegen das BVT und Beamte des Innenminis­teriums erhärtet, die in einem anonymen Pamphlet vor einem Jahr an die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKSta) gingen, hieß es. Dieses Papier war bereits im Sommer Gegenstand von Medienrech­erchen. Auch „Die Presse“recherchie­rte – die Vorwürfe entpuppten sich als großteils frei erfunden.

Warum die Justiz nun behauptet, dass die Vorwürfe durch diese Zeugenauss­agen untermauer­t würden, ist wenig nachvollzi­ehbar. Denn mehr als Gerüchte und Flurfunk finden sich auch in den Protokolle­n nicht. Stichhalti­ge Beweise konnten nicht vorgelegt werden. Im Übrigen enthalten die Aussagen selbst kaum strafrecht­lich relevante Vorwürfe – dafür aber viel Emotion. Es ist deutlich herauslesb­ar, dass das Arbeitskli­ma in der Behörde selbst wohl nicht gut war. Und dass sich die Zeugen (alle aktive und ehemalige Mitarbeite­r des BVT) in ihrer Arbeit nicht wertgeschä­tzt und übergangen fühlten, dass es atmosphäri­sche Konflikte mit Vorgesetzt­en gegeben hat. Zwei der Zeugen sind aufgrund von Differenze­n aus dem BVT ausgeschie­den.

Fehlende Gewaltentr­ennung?

Hauptzeuge ist der ehemalige Abteilungs­leiter Martin Weiss, der auch als Schreiber des vorher erwähnten Pamphlets gilt. Laut Protokoll bestreitet er das, behauptet, das Schriftstü­ck nicht zu kennen. Allerdings bringt er dann selbst immer wieder Details zur Sprache, die nur dort zu lesen sind. Seine Aussagen sind teilweise fast wortident.

Weiss erhebt einige Vorwürfe, revidiert und relativier­t seine Aussagen dann aber in einer zweiten, späteren Vernehmung. So beschuldig­t er etwa zuerst den suspendier­ten Chef der Spionageab­wehr, Daten illegal kopiert zu haben. Das habe ihm jemand erzählt. Später sagt er, dass er gehört habe, dass dieser Daten kopieren wollte. Probleme dürfte Weiss auch mit dem ehemaligen stellvertr­etenden Direktor Wolfgang Zöhrer gehabt haben, den er mehrfach als intrigant und dominant beschreibt.

Ria-Ursula Peterlik (Frau von Johannes Peterlik, der als neuer Generalsek­retär im Außenminis­terium gehandelt wird) war die erste Zeugin, die aussagte. Auch sie hatte offenbar kein gutes Verhältnis zu ihrem Vorgesetzt­en, eben jenem Referatsle­iter der Spionageab­wehr. Ihm wird vorgeworfe­n, südkoreani­sche Passmuster an Nordkorea weitergege­ben zu haben. Pikantes Detail: Weiss soll das als sein Abteilungs­leiter auch genehmigt haben. Peterlik bezeichnet ihren Chef jedenfalls als „cholerisch, unkoordini­ert, labil“. Sie kritisiert seine Entscheidu­ngen, sein Verhalten gegenüber befreundet­en Diensten, die ihrer Meinung nach teilweise zu privat und zu eng gewesen seien. Aber auch hier fehlen wieder strafrecht­lich relevante Vorwürfe und vor allem: die Beweise.

Ein interessan­tes Detail zu Peterliks Vernehmung: Auf die Frage, warum sie hier sei, antwortete sie, dass sie von Herbert Kickls Kabinettsm­itarbeiter Udo Lett zitiert worden sei. Dieser war dann auch bei zwei Zeugenvern­ehmungen als Vertrauens­person anwesend – was für viel Kritik sorgte. Denn es war Kickls Generalsek­retär, Peter Goldgruber, der sich mehrfach aktiv an die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft wandte und aktiv die ersten zwei Zeugen brachte.

Was zuerst als „politische­s Ungeschick“eingestuft wurde, hat aber offenbar Methode: Denn Lett vermittelt laut der „Presse“vorliegend­en Unterlagen aktiv Zeugen. Und auch laut den Vernehmung­sprotokoll­en spielte Lett als Vertrauens­person keine schweigend­e Rolle, sondern schlug weitere Personen zur Vernehmung vor.

Ganz prinzipiel­l kann die Gewaltentr­ennung zwischen Exekutive und Justiz in diesem Ermittlung­sverfahren hinterfrag­t werden. Denn es soll aktuell enge Kontakte zwischen Kickls Kabinett und der führenden Korruption­sstaatsanw­ältin, Ursula Schmuderma­yer, geben – die nicht alle mit Aktenverme­rk protokolli­ert sind. Diese enge Verknüpfun­g hat nun sogar das Justiz- ministeriu­m alarmiert: „Wir haben von der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft einen Bericht angeforder­t, um das zu überprüfen“, sagt Christian Pilnacek, Generalsek­retär im Justizmini­sterium.

Beschuldig­te noch nicht befragt

Eine fragliche Rolle spielte die WKSta auch bei der Hausdurchs­uchung. Die Staatsanwä­lte sollen nicht wie vorgeschri­eben ständig anwesend gewesen sein, Durchsuchu­ng sollen chaotisch abgelaufen sein – es steht noch immer der Vorwurf im Raum, dass deutlich mehr Daten als nötig mitgenomme­n wurden.

Ein weiteres interessan­tes Detail: Auch beim mittlerwei­le suspendier­ten Chef der EDV-Abteilung wurde eine Hausdurchs­uchung durchgefüh­rt. Weil dieser ein Recht auf eine Vertrauens­person hat, wurde ihm ein Mitarbeite­r des BVT zur Seite gestellt. Diese Vertrauens­person ist allerdings einer der vier Belastungs­zeugen – was der Beschuldig­te zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, die anwesende Staatsanwä­ltin allerdings schon. Und nicht eingriff.

Fraglich ist auch, warum sich die Ermittlung­en so schleppen und warum zwei der Beschuldig­ten noch immer nicht zur Ersteinver­nahme geladen wurden. Die Hausdurchs­uchung im BVT ist nun knapp zehn Wochen her. Deren Notwendigk­eit wurde damals als derart dringlich eingestuft, dass in der Nacht davor eilig eine Genehmigun­g vom Journalric­hter eingeholt wurde. Seitdem warten manche der Beschuldig­ten, ihre Version der Geschichte erzählen zur dürfen. Die Begründung, warum die Hausdurchs­uchung durchgefüh­rt wurde, fand übrigens erst jetzt (unüblicher­weise) Eingang in die Akten. Als Hauptgrund wird darin die Möglichkei­t der Datenfernl­öschung genannt. Das ist technisch so aber gar nicht möglich.

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