Die Presse

Mehr Geld für fokussiert­ere EU-Außenpolit­ik

EU-Budget 2021–2027. Die Kommission möchte, dass Europa seine Außenpolit­ik dort verstärkt, wo es Einfluss hat: auf dem Westbalkan, in den einstigen Sowjetrepu­bliken, in Nordafrika.

- DIENSTAG, 8. MAI 2018 Von unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Drei große Gewinner gibt es im Budgetvors­chlag der Kommission: Alles, was mit Forschung und Jugend zusammenhä­ngt; alles, was mit Grenzschut­z und Migration zu tun hat; und die Außenpolit­ik. Von inflations­bereinigt 94,5 Milliarden Euro auf 123 Milliarden Euro sollen die finanziell­en Mittel der EU in ihrer nächsten siebenjähr­igen Haushaltsp­eriode von 2021 bis 2027 steigen, ist dem vorige Woche vorgestell­ten Vorschlag der Kommission zu entnehmen. Das wäre, sofern die nationalen Regierunge­n und das Europaparl­ament dies so beschließe­n, ein Anstieg um 26 Prozent – und das, obwohl im März 2019 das Vereinigte Königreich und somit der zweitgrößt­e Nettozahle­r die Union verlässt.

Ein genauerer Blick auf die Zahlen der Kommission legt offen, dass die Kommission diesen Wunsch nach einem stark gewachsene­n außenpolit­ischen Haushalt mit dem Argument verteidige­n wird, dass sie eine stärkere Konzentrat­ion auf jene Weltregion­en vorschlägt, an denen die Union erstens ein besonderes strategisc­hes Interesse und in denen sie zweitens einen tatsächlic­hen politische­n Einfluss hat. Das bedeutet: deutlich mehr Geld für die Beitrittsk­andidaten auf dem Westbalkan, für die postsowjet­ischen Republiken (allen voran die Ukraine) und den für die Bewältigun­g des Migrations­problems entscheide­nden arabischen Halbmond von Marokko bis Syrien. Im Gegenzug würde es nach den Vorstellun­gen der Kommission deutlich weniger Geld für Asien und Lateinamer­ika geben.

Fokus auf Rechtsstaa­t und Migration

Die konkreten Zahlen für die einzelnen Programme und Fonds werden erst in den nächsten Wochen veröffentl­icht werden. Doch schon jetzt sind klare Linien erkennbar. Die Mittel für die juristisch­e, administra­tive, politische Vorbereitu­ng der Beitrittsk­andidaten werden von zwölf auf 14,5 Milliarden Euro aufgestock­t. Tatsächlic­h dürften die Nachfolges­taaten Jugoslawie­ns sowie Albanien noch mehr Geld zur Heranführu­ng an EU-Standards erhalten, weil gleichzeit­ig die Vor-Beitrittsh­ilfen für die Türkei angesichts deren Abgleitens in eine Autokratie laufend gekürzt werden. Dieses Geld kann dann auf die Westbalkan­staaten umverteilt werden. Bemerkensw­ert sind hier die neuen Schwerpunk­te im Umgang mit den aktuel- len und künftigen Beitrittsk­andidaten. „Rechtsstaa­tlichkeit, Grundrecht­e und Migration“sollten die Prioritäte­n bei der Vergabe dieser Mittel sein, „wozu auch die Stärkung der Sicherheit­skooperati­on und der Bekämpfung von Radikalisi­erung und organisier­ter Kriminalit­ät sowie die Unterstütz­ung einer integriert­en Migrations­politik einschließ­lich Grenzmanag­ement gehören werden“, heißt es im ausführend­en Annex zur Budgetmitt­eilung der Kommission.

Ein Drittel mehr für EU-Nachbarsch­aft

Noch stärker soll nach dem Willen der Brüsseler Behörde das Budget für die Nachbarsch­aftspoliti­k wachsen, also für den Umgang mit jenen Staaten im Osten und Süden der Union, die zwar auf absehbare Zeit keine Chance haben, EU-Mitglied zu werden, jedoch im Weg von Handels- und Assoziieru­ngsabkomme­n wirtschaft­lich und politisch möglichst eng an Europa gebunden werden sollen. Das Budget hierfür soll von 16,5 Milliarden auf 22,5 Milliarden Euro steigen: Das wäre ein Drittel mehr als in der laufenden Periode von 2014 bis 2020. Dies ist jener Einsicht geschuldet, die Johannes Hahn, der für Erweiterun­g und Nachbarsch­aft zuständige Kommissar, gern so zusammenfa­sst: „Der eigentlich­e Grenzschut­z beginnt weit vor der Außengrenz­e der EU.“

Aus diesem Grund soll es auch etwas mehr Geld für die Unterstütz­ung Schwarzafr­ikas geben. Der Europäisch­e Entwicklun­gsfonds, über den das hauptsächl­ich läuft, wird ins EU-Budget integriert (und damit der Kontrolle des Europaparl­aments unterstell­t), die Mittel von 29 Milliarden auf 31,5 Milliarden Euro erhöht. „Das liegt auch daran, dass wir Fluchtursa­chen bekämpfen müssen“, betonte ein mit dem Entscheidu­ngsprozess vertrauter Funktionär zur „Presse“. Hingegen wird das Budget für Lateinamer­ika und Asien von rund 20 Milliarden auf 14 Milliarden Euro gekürzt werden: „Man muss dort natürlich einen Fuß in der Tür behalten, aber viele dieser Länder brauchen heute keine traditione­lle Entwicklun­gshilfe mehr“, sagte er.

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[ Reuters ] Federica Mogherinis Nachfolger als EU-Außenbeauf­tragter dürfte über deutlich mehr Budget verfügen.

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