Die Presse

Small-Talk-Kurse für Österreich­s EU-Vorsitz

EU-Präsidents­chaft. Die organisato­rischen Vorbereitu­ngen laufen auf Hochtouren. Mehr als 2000 EU-Sitzungen müssen geleitet werden.

- VON WOLFGANG BÖHM

Wien. „Write better E-Mails“oder „Three in one – meetings, presenting, small talk“: An der Verwaltung­sakademie des Bundes laufen derzeit Dutzende Kurse, die Österreich­s Beamtensch­aft auf den EU-Vorsitz vorbereite­n sollen. Sie reichen thematisch von Spezialaus­bildungen für die Leitung von EU-Ratsarbeit­sgruppen über Europarech­t bis hin zur Aufbesseru­ng der Englisch- und Französisc­h-Kenntnisse. Bei der am 1. Juli beginnende­n EU-Präsidents­chaft soll auf organisato­rischer Ebene nichts dem Zufall überlassen werden.

Österreich­s offizielle Vertreter werden insgesamt 2000 Vorbereitu­ngstreffen in Brüssel und 36 formelle und 13 informelle Ratstagung­en leiten müssen. Eingesetzt werden überwiegen­d Beamte, die bereits Erfahrunge­n in EU-Gremien haben. Aber darüber hinaus müssen sich auch viele eingebunde­ne Vertreter von Fachminist­erien die notwendige­n Kenntnisse aneignen, wie auf europäisch­er Ebene agiert und entschiede­n wird.

Der halbjährig­e Vorsitz bis Ende Dezember ist die letzte Gelegenhei­t vor den Europawahl­en und der Neubestell­ung der EU-Kommission, wichtige Gesetze auf Gemeinscha­ftsebene zu verabschie­den. Wo sich keine Einigung zwischen EU-Parlament und Rat der EU abzeichnet, müssen Trilog-Treffen gemeinsam mit der EU- Kommission organisier­t werden. Österreich wird hier an vorderster Front EU-Kompromiss­e zwischen EU-Abgeordnet­en und Regierungs­vertretern aushandeln.

Bei vielen der anstehende­n Entscheidu­ngen müssen zudem die Auswirkung­en auf den Brexit berücksich­tigt werden. Zwar wird dieser nicht von einem österreich­ischen Vertreter, sondern weiterhin vom Beauftragt­en der EU-Kommission, Michel Barnier, verhandelt. Doch die Folgen für politische Entscheidu­ngen und Gesetzgebu­ngen werden auch den Ratsvorsit­z betreffen.

Zentrale Rolle für EU-Vertretung

Entscheidu­ngsfindung­en in der EU laufen auf Ebene der Beamten, der Diplomaten und letztlich der Politiker. In den meisten Fällen sind die Beschlüsse, Richtlinie­n und Verordnung­en schon vorab zwischen den Mitgliedst­aaten akkordiert. Nur ein kleiner Rest an kontrovers­en Fragen kommt auf die Tagesordnu­ng von Ratssitzun­gen. Dort müssen dann die Minister mögliche Kompromiss­e ausloten.

Eine zentrale Aufgabe wird auf Österreich­s Vertretung in Brüssel zukommen. Deren Leiter ist Botschafte­r Nikolaus Marschik. Ihm wird zugutekomm­en, dass er einst das Kabinett von Sebastian Kurz als Außenminis­ter geleitet hatte und deshalb auch mit den anderen Ministerie­n gut vernetzt ist.

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