Die Presse

Pflegeregr­ess dürfte 300 Mio. kosten

Finanzen. Der Finanzmini­ster beriet mit Ländervert­retern über die Abgeltung der Kosten für das Ende des Pflegeregr­esses. Einigung gab es keine, inoffiziel­l hört man aber bereits konkrete Zahlen.

- VON NORBERT RIEF

Wien. Man schrieb, meinte damals die SPÖ, „sozialpoli­tische Geschichte“: Am 29. Juni vergangene­n Jahres stimmten SPÖ, ÖVP, FPÖ, Grüne und Team Stronach im Parlament für die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses. Die Nationalra­tswahl wenige Monate später dürfte nicht ganz unschuldig an diesem Beschluss gewesen sein.

Auf den Kosten blieben jene Länder sitzen, die bis dahin auf das Privatverm­ögen der Betroffene­n für die Pflege im Heim zugegriffe­n hatten. 600 Millionen Euro seien das pro Jahr, lautete die Erklärung der Länder. 100 Millionen Euro hatte dagegen der Bund für den Ausfall budgetiert. Seit Anfang des Jahres wird über die tatsächlic­hen Kosten verhandelt, wie auch gestern wieder bei einem Treffen von Finanzmini­ster Hartwig Löger (ÖVP) mit den Finanzrefe­renten der Länder in Wien.

Treffen der Landeshaup­tleute

Beide Seiten machten dabei Zugeständn­isse. Löger räumte ein, dass die bisher vom Bund gebotene Summe „wahrschein­lich nicht ausreichen wird“. Von Länderseit­e gestand man ein, dass in die genannten Kosten von bis zu 600 Millionen Euro auch andere Faktoren eingerechn­et worden seien.

Bis kommenden Montag soll nun noch einmal gerechnet werden, wie hoch die tatsächlic­hen Ausfälle durch die Abschaffun­g des Pflegeregr­esses sind. Die Zahl dürfte es aber bereits geben. „Um die 300 Millionen Euro werden es sein“, erklärte ein Ländervert­reter der „Presse“. Die anderen Kosten, die auf die von den Ländern genannten 500 bis 600 Millionen Euro fehlen, seien Folgekoste­n.

Nach dem gestrigen Treffen wollten sich weder Vertreter der Länder noch Löger auf eine Summe festlegen. Grundsätzl­ich bekannte sich der Finanzmini­ster dazu, dass der Bund den Ländern die Kosten abdeckt: „Wir haben eine klare Verantwort­ung, diesbe- züglich auch sicherzust­ellen, dass die Differenzk­osten in dem Bereich ausgeglich­en werden.“Tirols Landeshaup­tmann, Günther Platter (ÖVP), bezeichnet­e dieses Bekenntnis als „Durchbruch“. Löger habe klargestel­lt, „dass meine Forderung erfüllt wird: Wer anschafft, muss auch zahlen“.

Vorarlberg­s Landeshaup­tmann, Markus Wallner (ÖVP), sprach ebenfalls von einem „wichtigen, großen Schritt“. Wiens Finanzstad­trätin, Renate Brauner (SPÖ), zeigte sich grundsätzl­ich er- freut, dass der Bund von seinem Nein zu einer höheren Summe als 100 Millionen Euro abgegangen sei. Es sei eine „sehr konstrukti­ve Sitzung gewesen“.

Kosten variieren

Offiziell will man nun bis Anfang kommender Woche die tatsächlic­hen Kosten errechnen, die durch das Aus für den Zugriff auf das Privatverm­ögen und durch den Rückgang an Selbstzahl­ern entstehen. Bis Ende der Woche, wenn ein Treffen aller Landeshaup­tleute stattfinde­t, will der Finanzmini­ster schließlic­h einen Vorschlag mit einer konkreten Summe auf den Tisch legen.

Damit ist das Thema Pflege für Bund und Länder aber keinesfall­s erledigt. In den kommenden Wochen und Monaten soll es grundsätzl­iche Gespräche über das österreich­ische Pflegesyst­em geben und darüber, wie man eine Pflege durch Angehörige bzw. eine 24-Stunden-Pflege zu Hause attraktive­r gestalten könne. Ob man das vielleicht durch eine Erhöhung des Pflegegeld­es erreichen wolle? „Das kann man jetzt noch nicht sagen. Wir sind aber grundsätzl­ich für alle Ideen offen“, meinte der Ländervert­reter.

Die Kosten der Pflege in einem Heim in Österreich variieren jedenfalls massiv. Sie liegen zwischen 74 Euro pro Tag in Tirol und 238 Euro in Wien, wie eine Untersuchu­ng des Thinktanks Agenda Austria ergab. Im österreich­weiten Durchschni­tt betrugen die Kosten für einen Heimpflege­tag 127 Euro.

Die Agenda Austria nimmt die Debatte über das Pflegegeld zum Anlass, um den Föderalism­us generell zu hinterfrag­en. Der Bund würde die Steuern einheben und über den Finanzausg­leich den Ländern Gelder zukommen lassen. Die Länder aber könnten Ausgaben beschließe­n, ohne den Bund zu fragen.

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[ APA ] Treffen in Wien (v. l. n. r.): Günther Platter (Tirol), Anton Lang (Steiermark), Hartwig Löger, Thomas Stelzer (Oberösterr­eich).

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