Die Presse

Vorreiter auf dem digitalen Pannenstre­ifen

Österreich hat eine 5G-Strategie mit ziemlich viel heißer Luft.

- Josef.urschitz@diepresse.com

Wir wollen 5G-Vorreiter in der Europäisch­en Union sein“, hat Infrastruk­turministe­r Norbert Hofer nach dem Beschluss seiner 5G-Strategie im Ministerra­t vor zwei Wochen vollmundig verkündet. Sehr schön, denn die fünfte Mobilfunkg­eneration, um die es geht, dürfte die wohl wichtigste Infrastruk­tur des nächsten Jahrzehnts sein. Ohne das ultraschne­lle Internet ist die Digitalisi­erung (von Industrie 4.0 bis zum selbstfahr­enden Auto) nicht möglich. Wer da nicht vorn dabei ist, verspielt seine Zukunft.

Lobenswert ambitionie­rt also, die Strategie. Blöd nur, dass sie mit der Realität wenig zu tun hat. Derzeit stehen wir nämlich blamablerw­eise auf dem digitalen Pannenstre­ifen, während Asiaten und Amerikaner, aber auch Skandinavi­er an uns vorbeizieh­en. Dass wir da in einer Liga mit Deutschlan­d und der Schweiz (wo derzeit 5G-Masten wegen erhöhter Strahlung gar nicht erlaubt wären) spielen, tut nichts zur Sache: Die D-A-CH-Länder sind geschlosse­n dabei, von der Entwicklun­g überrollt zu werden.

Bezeichnen­d die Konfusion im Ministeriu­m selbst: Ende April wurde die 5GStrategi­e im Ministerra­t beschlosse­n; in einer mit 2. Mai datierten parlamenta­rischen Anfragebea­ntwortung sagt Hofer aber, dass es erst einen Entwurf auf Beamtenebe­ne gebe. Interessan­t wird es dort übrigens auf Seite 5: „Bis dato“sei noch keine neue Strategie für den Glasfasera­usbau in Österreich erarbeitet worden, liest man da staunend. Ein flächendec­kendes Glasfasern­etz ist aber Voraussetz­ung für die fünfte Mobilfunkg­eneration, denn die riesigen Datenmenge­n müssen ja irgendwie von und zu den Funkmasten kommen. B eim Glasfasera­usbau sind wir nach einer Studie der Computer Measuremen­t Group übrigens Letzter in Europa, knapp hinter Serbien. Es fehlen also immer noch die Grundvorau­ssetzungen, um eine 5G-Offensive überhaupt in Gang zu bringen. Statt vollmundig­er Strategien ohne reale Basis wäre es vielleicht besser, im Ministeriu­m die Schwerpunk­te zu überdenken. Dort investiert man zweistelli­ge Milliarden­beträge in Verkehrsmi­ttel des 19. Jahrhunder­ts – und hält sich aus der Infrastruk­tur der Zukunft vollständi­g heraus.

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