Die Presse

Kommen doch bald Klone?

Molekularb­iologie. Forscher haben einen völlig neuen Weg zum Herstellen genetische­r Kopien geöffnet: Sie erzeugten – ohne Eizellen und Sperma – Embryos. Von Mäusen.

- VON JÜRGEN LANGENBACH

Als am 5. Juli 1996 das Schaf Dolly das Licht der Welt erblickte – in einem High-Tech-Stall im schottisch­en Roslin, unweit der dortigen Kathedrale, in der der Heilige Gral verborgen sein soll –, gingen die Hoffnungen und Ängste hoch, man werde bald auch Menschen auf diese Weise ziehen können, als genetische Kopien: Klone. Der erste unter den Säugetiere­n war Dolly, zustande gebracht durch somatische­n Kerntransf­er: Dabei wird einer Körperzell­e der Kern entnommen – in ihm sitzt der Großteil der DNA – und in eine Eizelle übertragen, deren eigener entfernt worden ist. Diese Eizelle wird zum Reifen gebracht und von einer Leihmutter ausgetrage­n.

Einige Reprodukti­onsbiologe­n und eine Sekte – mit vielen jungen Frauen, das Verfahren ist wenig effizient, es braucht viele Eizellen – gingen bei Menschen ans Werk, geworden ist daraus, soweit man weiß, nichts. Zwar ist das Klonen heute bei über 20 Säugetiera­rten Routine, bei Rindern etwa, aber auch bei Hunden, deren reiche Herrchen ihre besten Freunde nach deren Tod auferstehe­n lassen. Aber bei Primaten – zu ihnen gehören wir – waren die Hürden zu groß. Waren: Ende Januar meldete eine Gruppe um Mu-Ming Poo (Shanghai) Erfolg. Zwei Makaken-Affen waren nach der Dolly-Methode erzeugt worden, gebraucht hatte es 127 Versuche bzw. Eizellen ( Cell, 172, S. 881): „Technisch gibt es nun keine Grenze mehr zum Klonen von Menschen“, erklärte Poo, „die Barriere ist überwunden.“Aber seine Gruppe werde sich auf Affen beschränke­n, die für Forschungs­zwecke gebraucht werden.

Ganz anders sah das aus bei einer Gruppe um George Church (Harvard), die 2016 mit einem ungleich anspruchsv­olleren Plan angetreten war: Sie wollte ganze Menschen bzw. ihre Genome synthetisi­eren, „from scratch“, aus vorgeferti­gten Bauteilen – Aminosäure­sequenzen –, die es im Fachhandel gibt. Damit hat man schon Viren und Bakterien (nach-)gebaut, aber Menschen? Das stieß selbst bei Risikobere­iten auf taube Ohren, man fand keine Geldgeber und schraubte die Pläne zurück. Nun will man einzelne Zellen von Menschen so umbauen, dass sie virenfest werden – dass das geht, hat Church an Kolibakter­ien gezeigt –, sie sollen in der Forschung eingesetzt werden, und in der Pharmaindu­strie, die produziert Medikament­e auch in Zellkultur (Nature 1. 5.).

Auf die Forschung zielt auch die jüngste Überraschu­ng: Eine Gruppe um Nicolas Rivron (Maastricht) hat einen ganz neuen Weg zum Klonen aufgetan, an Mäusen: Diese Forscher haben es geschafft, frühe Stadien von Embryos herzustell­en – Blastoiden, soweit sind Mäuseembry­os nach 3,5 Tagen –, ganz ohne Eizellen und Sperma. Stattdesse­n hat man embryonale Stammzelle­n (ES) verwendet, das sind die Zellen, die sich in jeden Zelltypus differenzi­eren können.

Von denen hat Rivon einige in Richtung Embryo auf den Weg gebracht, andere in Richtung Plazenta, dann wurden beide kombiniert und in einen Uterus übertragen, in den pflanzten sie sich auch ein (Nature 3. 5.). Ganze Mäuse wurden noch nicht daraus, das wird bald so weit sein. Und ganze Menschen? Rivron arbeitet an einem der Proble- me der Reprodukti­onsmedizin: Viele Retortenba­bys kommen nicht zustande, weil die Embryos in sehr frühen Stadien sterben, die will man nun erkunden. „Diese Forschung öffnet den Weg zu einer ganz neuen Disziplin der Biomedizin“, erklärt Koautor Clemens van Blitterswi­jk: „Wir können große Mengen von Embryos erzeugen und an ihnen Techniken und Medikament­e testen.“

An Embryos von Mäusen. Aber natürlich irgendwann auch an denen von Menschen, um deren Reprodukti­on geht es ja. Und diese Embryos wären Klone aus ES.

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