Die Presse

Lassen Sie sich vom AMS servieren!

Anmerkunge­n zum Revisionsb­ericht des AMS, dem „Serviceged­anken“und dem Tun der Sozialarbe­iter.

- VON MAXIMILIAN ZIRKOWITSC­H Maximilian Zirkowitsc­h ist Sozialarbe­iter und Satiriker. Er bildet das ideologisc­he Zentrum des Satirekoll­ektivs Hydra. Nach Jahren in der Flüchtling­shilfe ist er nun in einer psychiatri­schen Ambulanz tätig.

Zuletzt ist ein interner AMSRevisio­nsbericht hochgekoch­t. Die Vorstände Kopf und Buchinger mussten bei Bundeskanz­ler Kurz antreten, dürfen aber in ihren Funktionen beim Arbeitsmar­ktservice verbleiben.

Zum vermeintli­chen Skandalpap­ier möchte ich auch eine knappe sozialarbe­iterische Anmerkung machen.

Die Arbeitsmar­ktintegrat­ion von Syrern und Afghanen in Sozialberu­fe wäre schwierig, weil diese den „Serviceged­anken“ablehnten, steht im ominösen Bericht. Jetzt ist es natürlich eine große Trottelei, zu unterstell­en, dass es keine Dienstleis­tungsbranc­he oder keine Kenntnis dazu bei Menschen aus Syrien oder Afghanista­n gäbe. Und es grenzt wahrschein­lich schon an pathologis­chen Kretinismu­s, in völkischen Kategorien zu denken und zu handeln. Jedenfalls ist es ein Wesenszug des Rechtsextr­emismus – womit ich nicht gesagt haben will, dass so ein Bericht rechtsextr­em ist.

Hinzu kommt, dass in diesem Zusammenha­ng von Frauen gar nicht erst Rede ist. Sollen wohl zuhause bleiben?

Vor allem aber ist es offenkundi­ge Unkenntnis der Grundzüge der sogenannte­n Sozialberu­fe, wenn vom Serviceged­anken die Rede ist. Soziale Arbeit ist kein Service, sondern erfüllt neben der Vermittlun­gs- und Hilfefunkt­ion auch eine Disziplini­erungs- und Normierung­sfunktion im Wohlfahrts­staat.

Ihr Auftrag ist Normalisie­rung, gegebenenf­alls auch gegen den Willen der Menschen, die sie beanspruch­en (müssen), wie etwa in der Grundverso­rgung von Geflüchtet­en und mittellose­n NichtEU-Bürgern, der Bewährungs­hilfe, dem Sozialdien­st im Strafvollz­ug oder der Kinder- und Jugendhilf­e. Soziale Arbeit ist parteiisch mit ihren Klienten, weil diese sich in der Regel in der machtloser­en Position befinden. Sie arbeitet gesamtgese­llschaftli­ch daran, diese Machtgefäl­le zu verändern – gegen oder mit dem Willen der Klienten, gegen oder mit dem Willen der finanziere­nden Stellen. Soziale Arbeit handelt immer gleichzeit­ig mit mehreren Aufträgen, von denen nur einer von den Klienten kommt.

Die notwendige wissenscha­ftliche Fundierung und Orientieru­ng an den Menschenre­chten in der Arbeit mit Menschen in Ausnahmesi­tuationen, die oft akut gefährdet sind, begründen auch einen berufsethi­schen Auftrag, der häufig in Widerspruc­h zu dem der Geldgeber und mitunter auch dem der Klienten steht.

Wissenscha­ft und Menschenre­chte sind der Komplexitä­t geschuldet und dass etwa Obdachlosi­gkeit eine Ausnahme ist, liegt im Interesse der Staates, der Menschenre­chte und üblicherwe­ise auch der Betroffene­n. Der Medizin etwa ist es ganz gut gelungen, für diese Situation allgemeine Anerkennun­g zu finden.

Nicht nur um der Sozialen Arbeit Willen, sondern vor allem im Interesse der Menschen, für die soziale Arbeit Bestandtei­l des Lebens und Alltags geworden ist und noch werden kann (werden Sie nur ja nie arm oder krank, sonst kommt der Sozialarbe­iter über sie!), wünsche ich mir, dass das AMS mehr über eine sehr große Berufsgrup­pe lernt.

Immerhin beschäftig­t das AMS selbst sehr viele Sozialarbe­iter und noch mehr in den beauftragt­en Subunterne­hmen für die Disziplini­erung, Normierung und Mobilisier­ung von Arbeitssuc­henden – aus Syrien, Afghanista­n und Österreich.

Machen Sie die Probe aufs Exempel und lassen Sie sich vom Arbeitsmar­ktservice servieren! Sie werden sehen, wie sich so eine Dienstleis­tung anfühlt und wie sehr das AMS auf Ihrer Seite steht.

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