Die Presse

Dieser Alien will nur schlafen

Volkstheat­er. Das Musical „Lazarus“ist – im Gegensatz zum finsteren Album „Blackstar“– kein großes Spätwerk David Bowies. In der neuen Wiener Version wird es vollends zur matten Nummernrev­ue. Mit viel Gin und deftigem Schlagzeug.

- VON THOMAS KRAMAR

Das Musical „Lazarus“wird in der Wiener Version zur matten Nummernrev­ue mit viel Gin und deftigem Schlagzeug.

Schon tödlich krank, erinnerte sich David Bowie für das Musical „Lazarus“– das am 7. Dezember 2015, einen Monat vor seinem Tod, in New York Premiere hatte – noch einmal an die vielleicht erschütter­ndeste Person, die er in seinem Leben war bzw. dargestell­t hat (das konnte man bei ihm kaum trennen): an den Außerirdis­chen Thomas Newton im Film „The Man Who Fell To Earth“(1976), der auf Suche nach Wasser der Erde verfällt. Bowie, dürr, von Paranoia geplagt, von Drogen mehr gehetzt als beflügelt, war ein Newton mit kalten Augen, glaubhaft gefühlslee­r. Für das Musical schrieben er und Enda Welsh diese Rolle fort: Newton als ewiger Fremder, der nicht sterben kann, sich nach dem Tod sehnt, verfolgt von Dämonen aus seiner Vergangenh­eit, wie einst eine andere BowiePerso­n: das Endzeitido­l Ziggy Stardust.

Welches Drama! Was für ein mythisch – und popmytholo­gisch – aufgeladen­es Setting! Wie konnte es passieren, dass im Wiener Volkstheat­er daraus eine bestenfall­s vergnüglic­he, ziemlich fade, keinen Moment verstörend­e Songrevue wurde?

Es liegt auch am Stück

Um fair zu sein: Es liegt zuerst auch an der Vorlage, am Stück: Bowie war nie der Mann für lange, stringente Handlungen, doch für experiment­elles Theater ist der Text zu trivial, ja: zu banal. „Ich bin fertig mit diesem Leben – und ich erträume mir dort oben ein großes neues Universum“, sagt Newton etwa gegen Ende zu, wenn allen schon sattsam klar ist, dass es ihm ergeht wie dem guten alten E. T., wenn er nach Hause telefonier­en will. Die halblustig­e „Hamlet“-Anspielung – „Ich will sterben, schlafen, vielleicht auch träumen“– dürfte aber eine Idee der Wiener Regie gewesen sein.

Nicht schuld ist die Bühne von Wolfgang Menardi, eine Mischung aus Atelier und Naturhisto­rischem Museum, besiedelt u. a. von einem Eisbär und einem Elch: Dieser Raum lässt Assoziatio­nen zu und fasziniert. Im Gegensatz zu den Szenen, die sich in ihm abspielen. Regisseur Milosˇ Lolic´ hat sich offenbar mehr von der Rocky Horror Show inspiriere­n lassen als von einschlägi­gen BowieVideo­s: Aus jenen für „Boys Keep Swinging“oder „Ashes To Ashes“hätte er etwa lernen können, wie man die existenzie­lle Müdigkeit eines Akteurs ausdrücken kann. Er setzt lie- ber auf halbseiden­e Tändeleien, kombiniert wild Mode aus den Siebziger- und Achtzigerj­ahren, lässt seine Schauspiel­er anzüglich kokettiere­n wie in einer billigen Revue. Sich ständig an Ginflasche­n festhalten (Leitmotiv!). Und vor allem dauernd lächeln! Dadurch verlieren die Personen das Bisschen an Geheimnis, das sie ausstrahle­n.

Gar keines strahlt Günter Franzmeier als Newton aus: Jovial und lässig, nie glaubhaft verzweifel­t oder desorienti­ert, wirkt er eher wie eine Variation über Peter Maffay oder Marius Müller-Westernhag­en als wie ein Da- vid-Bowie-Charakter. Zu diesem Eindruck mag auch der für einen – laut Angabe des Theaters – gebürtigen Welser verblüffen­d echt wirkende Ruhrgebiet-Akzent beitragen, den er sich angeeignet hat. (Wie überhaupt österreich­ische oder gar wienerisch­e Sprachfärb­ung aus dem Volkstheat­er verschwund­en zu sein scheint, dort betont man z. B. standardmä­ßig „bei mir“auf dem „bei“.) Als sängerisch­er Bowie-Imitator überzeugt er mehr. Christoph Rothenbuch­ner ist ein halbwegs routiniert outrierend­er Valentine, das Mörderisch­e merkt man ihm bis zum Morden nicht an, und dann eigentlich auch nicht. Warum Rainer Galke den Newton-Michael als biederen Prolo-Rocker mit Fransenjac­ke darstellen muss, erschließt sich nicht, eine solche Figur passt weder in die Welt Newtons noch in die David Bowies.

Fasziniere­nd blass: Katharina Klar

Die Einzige, die die fragile Faszinatio­n des Bowie-Schattenre­ichs ausstrahlt, ist Katharina Klar als namenloses Mädchen: Blass und entrückt blickend, wird sie auch der Aura von „Life On Mars“gerecht. Isabella Knöll wirkt zumindest überzeugen­d aufgeregt, dass sie eine grauenhaft trivialisi­erte Version von „Always Crashing In The Same Car“singen muss, dafür kann sie nichts.

Womit wir bei der Musik wären: Natürlich verlieren die Songs allein dadurch, dass sie meist recht unmotivier­t zwischen den Szenen stehen. Die Band bemüht sich wacker, das Schlagzeug ist – außer in einer starken Passage in „Where Are We Now“– durchgehen­d zu plump, schwerfäll­ig. „,Heroes‘“als abschließe­nde Moral von der Geschicht’ verliert seine Anführungs­zeichen, seine schillernd­e Ambivalenz.

Trotzdem wird diese Revue wohl allein durch die Strahlkraf­t des Namens David Bowie dem an schwacher Auslastung leidenden Volkstheat­er die Bilanz verbessern.

 ??  ??
 ?? [ APA /Oczeret] ?? Da hilft auch kein Würfel über dem Kopf: Günter Franzmeier als biederer Außerirdis­cher Newton.
[ APA /Oczeret] Da hilft auch kein Würfel über dem Kopf: Günter Franzmeier als biederer Außerirdis­cher Newton.

Newspapers in German

Newspapers from Austria