Die Presse

„Sollen sich warm anziehen“

Interview. Nicht alle Diktionen des bisherigen Neos-Chefs Matthias Strolz seien auch ihre, sagt seine vermutlich­e Nachfolger­in, Beate Meinl-Reisinger. Sie will die Finger auf die Wunden der Regierung legen.

- VON PHILIPP AICHINGER

Beate Meinl-Reisinger will die Finger auf die Wunden der Regierung legen. Es werde mit ihr als vermutlich­e neue Neos-Chefin Strolz „nicht bequemer“werden.

Die Presse: Ab wann wussten Sie, dass Matthias Strolz als Parteichef gehen will? Beate Meinl-Reisinger: Er hat mich ein bisschen früher informiert, sodass ich etwas Zeit hatte, mich vorzuberei­ten.

Was heißt ein bisschen früher? Vergangene Woche.

Was hat Sie dazu bewogen, nun für das Amt der Parteivors­itzenden im Juni zu kandidiere­n? Die politische Mitte ist in Österreich verlassen, und liberale Grundwerte sind sehr wichtig für mich. Deswegen bin ich in die Politik gegangen. Ich spüre eine Verantwort­ung, da einen Beitrag zu leisten. Ich bin in mich gegangen und habe gespürt, ich kann das, ich will das. Und ich habe es darauf mit meiner Familie besprochen.

Sie haben angekündig­t, dass bei der Neos-Mitglieder­versammlun­g im Juni auch inhaltlich neue Pflöcke eingeschla­gen werden sollen. Welche denn? Das werden wir sehen. Ich bitte um Verständni­s, dafür ist es jetzt noch zu früh.

Sie haben betont, nicht Matthias Strolz zu sein. Inwiefern sind Sie anders? Ich habe Matthias Strolz immer dafür bewundert, dass er diese großen Bilder zeichnet. Und ich freue mich, wenn er ein bisschen auf mich abgefärbt hat. Aber ich werde sicher nicht versuchen, wie er zu sein. Ich bin anders, und ich werde anders meine Fußspuren setzen.

Matthias Strolz hat soeben wieder erklärt, die Neos hätten ein Wählerpote­nzial von bis zu zwanzig Prozent. Wie viel Prozent sind Ihr Wahlziel? Ich werde mich nicht auf eine Prozentzah­l festlegen, ich glaube, das ist den Österreich­ern auch wurscht! Es geht darum, dass wir in eine neue Phase kommen. Wir sind die Opposition­sführer, im Bund und in Wien. In Salzburg haben wir jetzt zum ersten Mal Gelegenhei­t, Verantwort­ung zu übernehmen und zu zeigen, dass wir unsere Ideen umsetzen können. Und das ist natürlich das Ziel auch für die kommenden Jahre: Dass wir eine stärkere Wirksamkei­t anhand unserer Werte entfalten.

Wenn Sie im Juni Parteiobfr­au werden, wechseln Sie dann auch im Herbst in den Nationalra­t? Das hätte ich so vor, ja.

Die Neos haben im Nationalra­t einen Trumpf: Sie können der Regierung die Verfassung­smehrheit verschaffe­n. Auf welche Bündnisse wollen Sie sich diesbezügl­ich mit ÖVP und FPÖ einlassen? Wir haben hier eine sehr wichtige Rolle. Wir werden die Werte, die in der Verfassung enthalten sind, schützen und bewahren. Gleichzeit­ig haben wir immer gesagt, dass wir konstrukti­v für Reformen zur Verfügung stehen. Aber auf Deals oder einen Kuhhandel werden wir uns nicht einlassen. Es wird transparen­t ablaufen, wie es unserem Politiksti­l entspricht.

Als Parteigrün­der war Matthias Strolz eine Integratio­nsfigur bei den Neos. Besteht ohne ihn die Gefahr, dass nun verschiede­ne Strömungen in der Partei gegeneinan­der arbeiten? Ich lese, was geschriebe­n wird, es wird aber auch sehr viel Unsinn geschriebe­n. Ich spüre einen enormen Zusammenha­lt und eine großartige Stärke der Bewegung.

Strolz hat zuletzt vor einem Bürgerkrie­g gewarnt, wenn man die Hoffnung auf einen europäisch­en Islam begräbt und vor dem politische­n Islam kapitulier­t. Teilen Sie seine Befürchtun­g? Nicht alle seine Diktionen sind meine. Aber ich verstehe, was er damit zum Ausdruck bringen will. Der Zusammenha­lt der Gesellscha­ft ist ein sehr brüchiger, und wir müssen alles daran setzen, dass dieser Zusammenha­lt auch in der pluralisti­schen Gesellscha­ft gewährleis­tet bleibt. Wir sollten nicht Leute gegeneinan­der aufhussen, sondern besser schauen, dass wir das Miteinande­r entwickeln und auch stärken. Insofern verstehe ich seine Sorgen, und sie sind ein Ansporn für meine Politik.

Strolz hat Sie mit folgenden Worten als Nachfolger­in empfohlen: „Sie ist ein Stachel im Fleisch, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.“Was meint er denn damit, haben Sie viel mit ihm zu diskutiere­n gehabt? Ich glaube, er meint damit meine Beständigk­eit und Hartnäckig­keit.

Was kann die Opposition noch bewegen in dieser Legislatur­periode? Entlang der Zwei-Drittel-Mehrheit haben wir eine ganz enorme Rolle. Ich glaube auch mit Stolz sagen zu können, dass Neos die Opposition war in den vergangene­n Wochen und Monaten. Das werden wir auch weiter fortsetzen. Ich sage in Richtung von Kanzler Kurz oder auch Innenminis­ter Kickl: „Sie sollen sich warm anziehen.“Wir werden sie an den Taten messen und den Finger auf ihre Wunden und ihre Versäumnis­se legen – und das ist durchaus eine Drohung!

Was bedeutet es konkret, dass die Regierung sich warm anziehen soll? Es wird für sie nicht bequemer werden mit mir.

Seit 2013 waren Sie im Nationalra­t, seit 2015 im Wiener Gemeindera­t. Nun sagen die Neos immer, man soll gar nicht länger als zwei, drei Legislatur­perioden Politiker sein. Wie lange haben Sie vor, in der Politik zu bleiben? Politik ist eine temporäre Sache, wir haben in den Statuten klare Begrenzung­sregeln, laut denen man nur zwei Legislatur­perioden in der Exekutive und drei in der Legislativ­e aktiv sein darf. Die Grenze habe ich noch nicht erreicht. Ich will aber auch nicht ewig in der Politik bleiben, nenne jedoch jetzt keine Jahreszahl.

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[ Clemens Fabry ] Beate Meinl-Reisinger will Neos-Chefin werden und im Herbst in den Nationalra­t einziehen.

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