„Sollen sich warm anziehen“
Interview. Nicht alle Diktionen des bisherigen Neos-Chefs Matthias Strolz seien auch ihre, sagt seine vermutliche Nachfolgerin, Beate Meinl-Reisinger. Sie will die Finger auf die Wunden der Regierung legen.
Beate Meinl-Reisinger will die Finger auf die Wunden der Regierung legen. Es werde mit ihr als vermutliche neue Neos-Chefin Strolz „nicht bequemer“werden.
Die Presse: Ab wann wussten Sie, dass Matthias Strolz als Parteichef gehen will? Beate Meinl-Reisinger: Er hat mich ein bisschen früher informiert, sodass ich etwas Zeit hatte, mich vorzubereiten.
Was heißt ein bisschen früher? Vergangene Woche.
Was hat Sie dazu bewogen, nun für das Amt der Parteivorsitzenden im Juni zu kandidieren? Die politische Mitte ist in Österreich verlassen, und liberale Grundwerte sind sehr wichtig für mich. Deswegen bin ich in die Politik gegangen. Ich spüre eine Verantwortung, da einen Beitrag zu leisten. Ich bin in mich gegangen und habe gespürt, ich kann das, ich will das. Und ich habe es darauf mit meiner Familie besprochen.
Sie haben angekündigt, dass bei der Neos-Mitgliederversammlung im Juni auch inhaltlich neue Pflöcke eingeschlagen werden sollen. Welche denn? Das werden wir sehen. Ich bitte um Verständnis, dafür ist es jetzt noch zu früh.
Sie haben betont, nicht Matthias Strolz zu sein. Inwiefern sind Sie anders? Ich habe Matthias Strolz immer dafür bewundert, dass er diese großen Bilder zeichnet. Und ich freue mich, wenn er ein bisschen auf mich abgefärbt hat. Aber ich werde sicher nicht versuchen, wie er zu sein. Ich bin anders, und ich werde anders meine Fußspuren setzen.
Matthias Strolz hat soeben wieder erklärt, die Neos hätten ein Wählerpotenzial von bis zu zwanzig Prozent. Wie viel Prozent sind Ihr Wahlziel? Ich werde mich nicht auf eine Prozentzahl festlegen, ich glaube, das ist den Österreichern auch wurscht! Es geht darum, dass wir in eine neue Phase kommen. Wir sind die Oppositionsführer, im Bund und in Wien. In Salzburg haben wir jetzt zum ersten Mal Gelegenheit, Verantwortung zu übernehmen und zu zeigen, dass wir unsere Ideen umsetzen können. Und das ist natürlich das Ziel auch für die kommenden Jahre: Dass wir eine stärkere Wirksamkeit anhand unserer Werte entfalten.
Wenn Sie im Juni Parteiobfrau werden, wechseln Sie dann auch im Herbst in den Nationalrat? Das hätte ich so vor, ja.
Die Neos haben im Nationalrat einen Trumpf: Sie können der Regierung die Verfassungsmehrheit verschaffen. Auf welche Bündnisse wollen Sie sich diesbezüglich mit ÖVP und FPÖ einlassen? Wir haben hier eine sehr wichtige Rolle. Wir werden die Werte, die in der Verfassung enthalten sind, schützen und bewahren. Gleichzeitig haben wir immer gesagt, dass wir konstruktiv für Reformen zur Verfügung stehen. Aber auf Deals oder einen Kuhhandel werden wir uns nicht einlassen. Es wird transparent ablaufen, wie es unserem Politikstil entspricht.
Als Parteigründer war Matthias Strolz eine Integrationsfigur bei den Neos. Besteht ohne ihn die Gefahr, dass nun verschiedene Strömungen in der Partei gegeneinander arbeiten? Ich lese, was geschrieben wird, es wird aber auch sehr viel Unsinn geschrieben. Ich spüre einen enormen Zusammenhalt und eine großartige Stärke der Bewegung.
Strolz hat zuletzt vor einem Bürgerkrieg gewarnt, wenn man die Hoffnung auf einen europäischen Islam begräbt und vor dem politischen Islam kapituliert. Teilen Sie seine Befürchtung? Nicht alle seine Diktionen sind meine. Aber ich verstehe, was er damit zum Ausdruck bringen will. Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist ein sehr brüchiger, und wir müssen alles daran setzen, dass dieser Zusammenhalt auch in der pluralistischen Gesellschaft gewährleistet bleibt. Wir sollten nicht Leute gegeneinander aufhussen, sondern besser schauen, dass wir das Miteinander entwickeln und auch stärken. Insofern verstehe ich seine Sorgen, und sie sind ein Ansporn für meine Politik.
Strolz hat Sie mit folgenden Worten als Nachfolgerin empfohlen: „Sie ist ein Stachel im Fleisch, das kann ich aus eigener Erfahrung sagen.“Was meint er denn damit, haben Sie viel mit ihm zu diskutieren gehabt? Ich glaube, er meint damit meine Beständigkeit und Hartnäckigkeit.
Was kann die Opposition noch bewegen in dieser Legislaturperiode? Entlang der Zwei-Drittel-Mehrheit haben wir eine ganz enorme Rolle. Ich glaube auch mit Stolz sagen zu können, dass Neos die Opposition war in den vergangenen Wochen und Monaten. Das werden wir auch weiter fortsetzen. Ich sage in Richtung von Kanzler Kurz oder auch Innenminister Kickl: „Sie sollen sich warm anziehen.“Wir werden sie an den Taten messen und den Finger auf ihre Wunden und ihre Versäumnisse legen – und das ist durchaus eine Drohung!
Was bedeutet es konkret, dass die Regierung sich warm anziehen soll? Es wird für sie nicht bequemer werden mit mir.
Seit 2013 waren Sie im Nationalrat, seit 2015 im Wiener Gemeinderat. Nun sagen die Neos immer, man soll gar nicht länger als zwei, drei Legislaturperioden Politiker sein. Wie lange haben Sie vor, in der Politik zu bleiben? Politik ist eine temporäre Sache, wir haben in den Statuten klare Begrenzungsregeln, laut denen man nur zwei Legislaturperioden in der Exekutive und drei in der Legislative aktiv sein darf. Die Grenze habe ich noch nicht erreicht. Ich will aber auch nicht ewig in der Politik bleiben, nenne jedoch jetzt keine Jahreszahl.