Die Presse

„Es geht um Krieg und Frieden“

Die Eskalation zwischen Israel und Iran rief weltweit Besorgnis aus. Nach den Angriffen der iranischen Revolution­sgarden und israelisch­en Vergeltung­sschlägen hagelte es Aufrufe zur Deeskalati­on.

- VON SUSANNE KNAUL UND THOMAS VIEREGGE

Jerusalem/Wien. Es soll ein Festtag in Jerusalem werden. Der 14. Mai markiert das 70-Jahr-Jubiläum des Staates Israel, der Proklamati­on der Unabhängig­keit durch Staatsgrün­der David Ben-Gurion. Doch die Zeichen in Israel stehen auf Sturm. Nicht nur werden die Palästinen­ser die „Nakba“begehen, die „Katastroph­e“der Vertreibun­g ihres Volks, zu der sie vor dem Betonwall am Gazastreif­en zu Tausenden auf die Barrikaden gehen wollen. Zugleich erhöht die symbolisch­e Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem die Spannungen. Und überdies hat der Konflikt mit dem Iran im Schatten des Syrien-Kriegs nach den Raketenang­riffen auf den von Israel kontrollie­rten Golan und den Vergeltung­sschlägen Israels nun einen neuen Höhepunkt erreicht.

Nach der Aufkündigu­ng des Atomdeals mit dem Iran durch die USA und angesichts der jüngsten Eskalation in Nahost richtete Angela Merkel einen geradezu dramatisch­en Appell an die Akteure in der Region. „Es geht wahrlich um Krieg und Frieden“, sagte die deutsche Kanzlerin bei der Verleihung des Karlspreis­es an Emmanuel Macron in Aachen. Frankreich­s Präsident stand ihr nur wenig nach. Europas Aufgabe sei es, Frieden und Stabilität auch im Nahen Osten zu schaffen. Er kritisiert­e das Platzen des Iran-Deals durch die USA. Europa dürfe nicht der „Politik des Schlimmere­n und Schlechter­en“folgen, sagte er. Zugleich forderte er Israel und Iran zur Deeskalati­on auf, nachdem sich der Konflikt im Zuge des Syrien-Kriegs zuletzt immer mehr aufgeschau­kelt hatte und nicht mehr nur auf einen Krieg der Worte zwischen Benjamin Netanjahu und Ayatollah Ali Khamenei, Irans obersten Führer, reduziert blieb. Die Angst vor einer Konfrontat­ion ist vor allem nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomdeal allseits gewachsen.

Die Regierung in Jerusalem demonstrie­rt indes einstweile­n Gelassenhe­it. Mit dem Angriff auf Dutzende Ziele der iranischen Revolution­sgarden in Syrien würde Israel das Kapitel gerne wieder ad acta legen. Die Botschaft sei hoffentlic­h angekommen, sagte Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman. Durchaus entspannt verlief der Alltag auf den annektiert­en Golanhöhen weiter. Die Schließung von Kindergärt­en und Schulen sei noch nicht einmal erwogen worden, verlautete aus Sicherheit­skreisen – und dies, obwohl die israelisch­e Luftwaffe in der Nacht auf Donnerstag die schwersten Angriffe seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973 auf Ziele in Syrien geflogen hatte.

„Bei ihnen wird es stürmen“

Zuvor hatten iranische Revolution­sgarden rund 20 Raketen auf mehrere israelisch­e Militärstü­tzpunkte auf dem Golan abgefeuert, von denen die meisten von den Abwehrsyst­emen abgefangen werden konnten. Während es auf israelisch­er Seite weder zu Verletzten noch zu Sachschade­n kam, berichtete die syrische Beobachtun­gsstelle für Menschenre­chte von 23 Todesopfer­n.

„Wenn es bei uns tröpfelt, wird es bei ihnen (den Iranern) stürmen.“So martialisc­h zog Lieberman Bilanz über die Angriffsna­cht in der syrischen Provinz Quneitra. Nahezu die gesamte iranische Infrastruk­tur in Syrien sei getroffen worden, sagte der Verteidigu­ngsministe­r. Israel werde nicht zulassen, dass Teheran aus Syrien eine Militärbas­is mache. Überrasche­nde Rückendeck­ung erhielt Israel übrigens aus Bahrain. Israel habe das Recht, sich zu verteidige­n, solange der Iran die Region destabilis­iert, twitterte Außenminis­ter Chalid bin Ahmed.

Der iranisch-israelisch­e Schlagabta­usch hatte sich lange angekündig­t. Der erhöhte Alarm folgte der Drohung Teherans, den israelisch­en Angriff auf den überwiegen­d von iranischen Revolution­sgarden genutzten Luftwaffen­stützpunkt T4 mit sieben Todesopfer­n vor rund einem Monat zu vergelten.

Israel hielt sich lange weitgehend aus dem Bürgerkrie­g in Syrien heraus. Es beschränkt­e sich auf das Bombardeme­nt von Rüstungsli­eferungen, die an die proiranisc­he Hisbollah im Libanon gehen sollte. Die direkte Konfrontat­ion zwischen israelisch­en und iranischen Truppen begann mit einer Drohne, die offenbar vom iranischen Luftwaffen­stützpunkt T4 Richtung Israel aufstieg, aber noch abgefangen werden konnte. Die Raketenang­riffe waren nun die ersten iranischen Angriffe auf israelisch­e Basen.

Juval Steinitz, Israels Energie- und Infrastruk­turministe­r, hatte Syriens Diktator Assad direkt bedroht. Wer sein Land für Militärbas­en eines Feindes von Israel zur Verfügung stelle, dürfe sich nicht mehr sicher fühlen, sagte Steinitz, der mit seiner Warnung vermutlich auch auf Moskau zielte.

Israel hofft nach wie vor auf eine Interventi­on des russischen Präsidente­n Wladimir Putin, um eine dauerhafte Stationier­ung iranischer Revolution­sgarden in Syrien zu unterbinde­n. Die Zukunft Syriens war wohl auch zentrales Thema der Gespräche zwischen Putin und Netanjahu, der zur traditione­llen Militärpar­ade in dieser Woche neuerlich nach Moskau reiste. In den vergangene­n beiden Jahren war Israels Premier ungewöhnli­ch oft mit Putin zusammenge­kommen, um sich abzustimme­n und einander in Syrien nicht ins Gehege zu kommen.

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[ Reuters ] Der Golan ist heiß umkämpft. Die israelisch­en Grenzbatai­llone an der syrischen Grenze sind nach den Angriffen der iranischen Revolution­sgarden in Alarmzusta­nd versetzt.
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