Die Presse

Der geplatzte Traum vom großen Geschäft im Iran

Wirtschaft. Unter dem Druck der US-Sanktionen bleibt europäisch­en Firmen de facto nichts anderes übrig, als sich aus dem Iran zurückzuzi­ehen. Das reißt neue Gräben zwischen Europa und Amerika auf.

- VON KARL GAULHOFER

Diplomaten klingen meist anders. Der neue US-Botschafte­r in Berlin, Richard Grenell, forderte deutsche Unternehme­n auf, ihre Geschäfte mit dem Iran „umgehend“sein zu lassen. Nicht nur in der rüden Diktion, auch im Wahl des Mediums imitierte der Abgesandte Donald Trumps seinen obersten Chef: Das forsche Kommando erging per Twitter. Aus Sicht deutscher Politiker und Wirtschaft­svertreter hat er sich damit eindeutig im Ton vergriffen. So etwas sei „seit Jahrzehnte­n nicht mehr vorgekomme­n“, klagt etwa Michael Hüther, Chef des IW (Institut der Deutschen Wirtschaft) in Köln. Aber auch Frankreich­s Wirtschaft­sminister, Bruno Le Maire, hält es für „nicht hinnehmbar“, dass sich die USA „als Wirtschaft­spolizist für die Welt aufführen“.

Der neue transatlan­tische Graben, der sich hier auftut, hat handfeste Gründe: Von der Aufkündigu­ng der Atomdeals ist Europas Wirtschaft ungleich stärker betroffen als die amerikanis­che. Viele EU-Unternehme­n sahen das 2015 in Wien geschlosse­ne Abkommen als Chance, in der größten fast verschloss­enen Volkswirts­chaft der Welt wieder Fuß zu fassen. Für ihre US-Konkurrent­en änderte sich wenig, weil die meisten Sanktionen für sie bis heute weiter gelten (mit Ausnahme von „Spezialliz­enzen“, etwa für Boeing-Flugzeuge, und dem Iran-Geschäft von US-Konzerntöc­htern in der EU).

Jetzt packen die Amerikaner wieder ihre „schärfste Waffe“aus, sagt Farid Sigari, der bei der Anwaltskan­zlei Freshfield­s in Wien die internatio­nale Iran-Gruppe leitet: sekundäre Sanktionen, an die sich nicht-amerikanis­che Firmen zu halten haben. Konkret bedeutet das: Wer als europäisch­es Unternehme­n aus einer betroffene­n Branche im Iran tätig ist, muss sich je nach Sektor in drei oder sechs Monaten zurückzieh­en. Es geht etwa um Energie, den Bau der dafür nötigen Infrastruk­tur (Kraftwerke, Häfen, Straßen), den Automobils­ektor oder den Handel mit Edelmetall­en. Und um die Banken, die diese Investitio­nen oder Geschäfte finanziere­n. Wobei laut Freshfield­s nicht nur Neuverträg­e verboten werden, sondern auch bestehende Verpflicht­ungen abzuwickel­n sind – wozu der polternde Botschafte­r aufgerufen hat. Wer zuwiderhan­delt, dem drohen Geldstrafe­n. Sie waren schon vor dem Atomdeal für die französisc­he Großbank BNP Paribas oder die deutsche Commerzban­k „drakonisch bis existenzbe­drohend“, erinnert sich Stefan Denk, Sanktionse­xperte bei Freshfield­s. Noch stärker fürchten Firmen freilich einen Ausschluss vom US-Markt. Ein Autobauer, der nicht mehr in den USA verkaufen darf? Eine Bank, die von Dollartran­saktionen abgeschnit­ten ist? Sie können ihren Laden vermutlich bald zusperren. Mit einem Wort: Europas Iran-Geschäft ist de facto gestorben, auch dann, wenn die EU den Atomdeal formal weiterlauf­en lässt. „Das ist auch die Einschätzu­ng der internatio­nalen Investoren“, sagt Denk. Wobei er heimischen Unternehme­n mit Iran-Bezug dennoch empfiehlt, „kühlen Kopf zu bewahren“und die detaillier­ten Ausfüh-

rungsbesti­mmungen erst einmal genau zu analysiere­n. Freilich waren österreich­ische Firmen schon unter dem Schutz des Atomdeals „vorsichtig und konservati­v“. Die OMV ist bei ihrem Bemühen, sich an einem Ölfeld zu beteiligen, noch nicht weit gekommen. Die Oberbank schloss zwar im Vorjahr einen Rahmenvert­rag für Finanzieru­ngen ab, hat aber bis dato noch keine Kredite vergeben.

Kaum Gegenmaßna­hmen möglich

Immerhin vergab die Kontrollba­nk zuletzt wieder Exportgara­ntien, nach eingehende­r Prüfung. Nun droht das zarte Pflänzlein zu verdorren. Damit könnte der Handel mit dem Iran wieder auf den Stand vor fünf Jahren zurückfall­en, als es noch um kleine Volumina mit ganz harmlosen Gütern wie Papier und Agrarprodu­kte ging.

Dabei ist es fraglich, ob die „exterritor­ialen“Sanktionen, die Amerika der Welt aufzwingt, überhaupt völkerrech­tskonform sind. Eine Klage bei der Welthandel­sorganisat­ion WTO würde aber wohl Jahre dauern. Auch sonst sind Europas Politiker ziemlich machtlos. Rein theoretisc­h könnten sie Gegensankt­ionen gegen US-Unternehme­n verhängen. Aber dass die EU-Staaten eine solche offene Konfrontat­ion einstimmig beschließe­n, ist fast auszuschli­eßen. Und anders als im Handelsstr­eit um Strafzölle können hier auch keine Appelle an die ökonomisch­e Vernunft fruchten: Die USA schneiden sich mit den neuen Sanktionen zumindest vordergrün­dig nicht ins eigene Fleisch.

Das gilt auch für Erdöl. Die Amerikaner importiere­n schon jetzt praktisch kein Öl aus dem Iran; durch verstärkte­n Abbau aus Schieferge­stein sollten sie selbst bald zum zweitgrößt­en Produzente­n aufsteigen. Die Europäer aber müssen wohl für die halbe Million Barrel pro Tag, die sie aus dem Iran beziehen, neue Lieferante­n suchen. Selbst wenn die Politik den Konflikt nicht scheuen sollte: Auch die meist in London sitzenden Versichere­r der Öltanker wären von sekundären Sanktionen betroffen – und dürften die Polizzen wohl künftig verweigern.

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[ APA/Techt ] Nicht nur für die OMV schwindet die Hoffnung auf Projekte im Iran.

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