„Wo man den Soberl hinstellt“
Porträt. Vom Machtpolitiker und Rambo zum Freund der Künstler und Intellektuellen: Wolfgang Sobotka inszeniert sich als Nationalratspräsident in einer neuen Rolle.
Es war einer der großen Aufreger der vergangenen Woche: die heftige Schelte des Schriftstellers Michael Köhlmeier für FPÖ und ÖVP bei der NS-Gedenkveranstaltung im Parlament. Eingeladen hat Köhlmeier einer, der eigentlich als Paradebeispiel des ÖVP-Machtpolitikers gilt: Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka. Das erstaunt auf den ersten Blick. Denn Sobotka musste wissen, dass eine Köhlmeier-Rede potenziellen Ärger bedeuten kann.
Auf den zweiten Blick erstaunt das schon weniger. Wolfgang Sobotka ist gerade dabei, sich in seiner neuen Funktion neu zu erfinden. Wer den Politiker bisher als machtbewussten Finanzlandesrat und als Rambo im Innenministerium erlebt hat, hat noch nicht die ganze Persönlichkeit des Wolfgang Sobotka gesehen. Das ist er auch, zweifellos, aber es gibt auch den gebildeten, musischen, weltoffenen Sobotka. Sogar politische Gegner streuen Rosen: „Ich hätte ihn mir gut als Kulturminister vorstellen können“, sagt Wolfgang Zinggl von der Liste Pilz. Und der kommt nun tatsächlich vom anderen Ende des politischen Spektrums.
„Wo man den Soberl hinstellt, dort räumt der Soberl auf“, sprach Sobotka kürzlich von sich in der dritten Person. Das „Hinstellen“dürfte einen schmerzlichen Aspekt beinhalten: Schon zum zweiten Mal hat sich ein Karrierewunsch nicht erfüllt. Erwin Pröll wählte als seine Nachfolgerin als Landeshauptmann Johanna Mikl-Leitner aus. Und auch Sebastian Kurz hatte in der Regierung keine Verwendung mehr für ihn. Sobotka soll durchaus Lust gehabt haben, Minister zu bleiben.
Nun also Nationalratspräsident. Wolfgang Sobotka legt die Rolle ganz bewusst anders an als seine letzten beiden Funktionen: Er sucht die Nähe von Intellektuellen und Wissenschaftlern. Und er inszeniert sich im Zuge der NS-Gedenkfeiern durchaus glaubwürdig als einer, der einen sensiblen Umgang mit der Geschichte pflegt und sich von den braunen Flecken der Gegenwart distan- ziert. Zugute kommt ihm dabei die eigene Vergangenheit: Geprägt von einem Großvater, der Nationalsozialist war, und einem Vater, der unter dem Krieg gelitten hat, hat er sich schon früh mit der Vergangenheit beschäftigt. Zwei Jahre lang hat er im Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands die NS-Zeit in seiner Heimatstadt Waidhofen an der Ybbs erforscht.
Die Rolle als Nationalratspräsident legt er – wenig überraschend – sehr selbstbewusst an. So hat er kürzlich sogar seinen Parteichef und Bundeskanzler, Sebastian Kurz, öffentlich gerüffelt, als dieser eine parlamentarische Anfrage unzureichend beantwortet hatte. Auch zusätzliche Finanzmittel für das Parlament konnte er lukrieren. Das kommt zum Teil den Klubs zugute, deren Budgets aufgestockt wurden. Aber auch das Repräsentationsbudget des Präsidenten fällt nun deutlich üppiger aus. Dieser könne nun 7000 Euro täglich für Veranstaltungen ausgeben, hat die Opposition ausgerechnet.
Die hält sich mit Kritik am Präsidenten aber spürbar zurück. Was auch daran liegt, dass er bisher der Versuchung widerstanden hat, Parteipolitik vom Präsidentenstuhl aus zu machen. Es habe aber auch noch keine echte Bewährungsprobe gegeben, sagt einer aus den Oppositionsreihen. Lediglich die Ablehnung des BVT-U-Ausschusses nimmt die SPÖ dem Präsidenten übel – wobei den Sozialdemokraten klar ist, dass sie selbst keinen optimalen Antrag für den Untersuchungsausschuss formuliert hatten.
Wo die Reise des Wolfgang Sobotka hingeht? Beobachter sehen das neue Rollenverständnis schon als Vorbereitung für den nächsten Karriereschritt: 2022 findet die nächste Bundespräsidentenwahl statt. Und Sobotka beginne jetzt schon, sich als ÖVPKandidat in Stellung zu bringen.