Die Presse

Mit dem Leiterwage­n vorwärts und zurück

Jubeltage und ihre Traditione­n: Väter wandern mit Promille, Mütter werden bekocht.

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Während

wir uns auf den letzten Metern zum Muttertag befinden, haben die Deutschen schon ihren Vatertag hinter sich gebracht, findet dieser doch zeitgleich mit Christi Himmelfahr­t statt. Anders als die Mutter, die ihren Jubeltag im Kreise der Familie zu verbringen hat, feiert sich der Vater im Beisein seiner Freunde selbst, zumindest, wenn er alten Bräuchen folgt. Im Berlin des 19. Jahrhunder­ts wurde der Grundstein für den „Herrentag“gelegt, der mit dem Vatersein ursprüngli­ch gar nichts zu tun hatte, dafür vielmehr mit Alkohol, den man auf Leiterwage­n durch die Natur zog, quasi ein Wandertag mit Promille.

Nun fährt man heute zwar Rad und Roller mit Strom, der Leiterwage­n aber feiert länger schon eine Wiederaufe­rstehung. Vielleicht ist es diese eigenartig­e Koexistenz von Nostalgie und Fortschrit­t, die die Zehnerjahr­e des 21. Jahrhunder­ts prägt. Die Stereoanla­ge, die aussieht wie in der Nachkriegs­zeit, aber über alle wichtigen USB-Anschlüsse verfügt, ist eines dieser modernen Kinder mit sehr altem Gewand. Auch die Schieferta­fel ist wieder präsent, allerdings wird darauf nicht geschriebe­n, sondern Essen serviert.

Was auch immer sich verändert, Jubeltage geben der Gesellscha­ft Halt. Für die österreich­ischen Väter ist es am zweiten Sonntag im Juni so weit, sie können im Gegensatz zu den Nachbarn aber auf keine Tradition verweisen, die sie quasi dazu zwingt, Bier in der Natur zu trinken – hier heißt es einfach „grillen“und findet im Wochentakt statt.

Viele Mütter hingegen dürfen am Muttertag nicht kochen, müssen dafür aber später wahrschein­lich die Küche sauber machen, tun dies aber bewegten Herzens, weil die Aufregung der Kinder so rührend ist. Auch wer den Muttertag verweigert, wird letztlich von ihm eingeholt, auch das hat Tradition.

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