Mit dem Leiterwagen vorwärts und zurück
Jubeltage und ihre Traditionen: Väter wandern mit Promille, Mütter werden bekocht.
Während
wir uns auf den letzten Metern zum Muttertag befinden, haben die Deutschen schon ihren Vatertag hinter sich gebracht, findet dieser doch zeitgleich mit Christi Himmelfahrt statt. Anders als die Mutter, die ihren Jubeltag im Kreise der Familie zu verbringen hat, feiert sich der Vater im Beisein seiner Freunde selbst, zumindest, wenn er alten Bräuchen folgt. Im Berlin des 19. Jahrhunderts wurde der Grundstein für den „Herrentag“gelegt, der mit dem Vatersein ursprünglich gar nichts zu tun hatte, dafür vielmehr mit Alkohol, den man auf Leiterwagen durch die Natur zog, quasi ein Wandertag mit Promille.
Nun fährt man heute zwar Rad und Roller mit Strom, der Leiterwagen aber feiert länger schon eine Wiederauferstehung. Vielleicht ist es diese eigenartige Koexistenz von Nostalgie und Fortschritt, die die Zehnerjahre des 21. Jahrhunderts prägt. Die Stereoanlage, die aussieht wie in der Nachkriegszeit, aber über alle wichtigen USB-Anschlüsse verfügt, ist eines dieser modernen Kinder mit sehr altem Gewand. Auch die Schiefertafel ist wieder präsent, allerdings wird darauf nicht geschrieben, sondern Essen serviert.
Was auch immer sich verändert, Jubeltage geben der Gesellschaft Halt. Für die österreichischen Väter ist es am zweiten Sonntag im Juni so weit, sie können im Gegensatz zu den Nachbarn aber auf keine Tradition verweisen, die sie quasi dazu zwingt, Bier in der Natur zu trinken – hier heißt es einfach „grillen“und findet im Wochentakt statt.
Viele Mütter hingegen dürfen am Muttertag nicht kochen, müssen dafür aber später wahrscheinlich die Küche sauber machen, tun dies aber bewegten Herzens, weil die Aufregung der Kinder so rührend ist. Auch wer den Muttertag verweigert, wird letztlich von ihm eingeholt, auch das hat Tradition.