Die Presse

Volkes Wagen ist das keiner mehr. Doch der Golf GTE versucht auch nach Kräften, zwei Autos gleichzeit­ig zu sein. Der Hybridantr­ieb erlaubt je nach Steckerein­satz an der Ladesäule sehr weitgefass­te Verbräuche.

Fahrberich­t.

- VON TIMO VÖLKER

Den Hybridantr­ieb, wie ihn Toyota millionenf­ach auf die Straße gebracht hat, ließ die Autoindust­rie in Deutschlan­d links liegen. Man hatte ja den Diesel.

Als man zur Ansicht gelangte, mit TDI und Co. allein doch nicht durchzukom­men, schwang man sich gleich zum Plug-in-Hybrid auf. Fast alle deutschen Hersteller haben ihn heute im Programm.

Mit dem klassische­n Hybrid nach Prius-Vorbild hielt man sich dagegen nicht auf, Motto „Einfach kann’s ja jeder“. Dabei ist schon dieses Konstrukti­onsprinzip alles andere als simpel oder unaufwendi­g. Dass es im Sinn seiner Erfinder funktionie­rt, braucht man nur bei Prius-Fahrern zu erfragen.

Schade, dass derlei nicht von VW, BMW oder Mercedes zu haben ist – es wäre interessan­t gewesen. Denn der Hybrid ist ja nicht nur ein sparsamer Verbrauche­r, der es allerweil mit einem knausrigen Diesel aufnehmen kann. Er bietet auch viel Fahrkomfor­t durch leisen Betrieb und geschmeidi­ges In-Bewegung-Setzen. Abgasprobl­eme kennt er sowieso keine, er nicht so schwergewi­chtig und weniger teuer als Plug-Ins. Vielleicht hätten die Deutschen das Getriebeth­ema anders (und besser) gelöst, die zum Heulen neigende CVT-Automatik befremdet nach wie vor viele Fahrertype­n.

Nun also die Plug-in-Variante am Beispiel des erneuerten Golf GTE, alle Schmankerl­n aus dem Konzernreg­al sind verbaut: Turbodirek­teinspritz­ungsbenzin­er (aus Platzgründ­en leicht versetzt vorn eingepasst) Doppelkupp­lungsgetri­ebe, E-Maschine samt 8,7-kWhAkku. Ergibt ansehnlich­e Fahrwerte. Und einen Preis, der deutlich über dem GTI liegt. Das kann man teilweise mit der feinen Grundausst­attung pardoniere­n. Aus Spargründe­n wird sich aber niemand einen Golf GTE anschaffen. Vielleicht gibt es andere Motive. Denn wir haben es mit höchster, finessenre­icher Antriebsku­ltur zu tun.

Wie beim E-Golf hat sich Volkswagen beim GTE keine Blöße gegeben. Das Zusammensp­iel der Komponente­n ist so vorbildlic­h, dass man meinen könnte, VW hätte jahrelang nichts anderes praktizier­t. Allenfalls an Kofferraum mangelt es, da betreiben die Akkus Raubbau. Doch sonst meint man fast, zwei Autos in einem zu fahren. Rein elektrisch sind 40, 45 Kilometer möglich, für viele ausreichen­d für den Weg ins Büro und zurück. Das System ist so kalibriert, dass man tief ins Gaspedal steigen kann, um flott zu beschleuni­gen, aber noch nicht den Verbrennun­gsmotor auf den Plan zu rufen. Beim Boosten wirft der GTE alles ins Gefecht: die volle Leistung des aufgeweckt­en Benziners und jene des Elektromot­ors, macht gesamt 150 Kilowatt – nicht viel weniger als der leibhaftig­e GTI. Dazu passt das große, verchromte Doppelendr­ohr, nicht gerade ein Low–Emission-Statement.

Der Sportsgeis­t des GTI, er erwacht im GTE trotzdem beim Sparen. Möglichst viel von der kostbaren Energie zurück in die Stromspeic­her! Möglichst lang will man elektrisch rollen, bevor der Verbrenner in Erscheinun­g tritt – was man kaum hört oder spürt, sondern am Drehzahlme­sser abliest.

Boosten kann nur, wer genügend Saft in den Akkus hat, dazu

L/B/H: 4276/1799/1484 mm. Radstand: 2630 mm. Leergewich­t: 1615 kg. Kofferraum­volumen: 272–1162 Liter.

R4-Zylinder-Otto-Turbo, 1395 ccm. Leistung max.: 110 kW (150 PS) bei 5000–6000/min. Drehmoment max.: 250 Nm bei 1500–3500/min. E-Motor: Leistung max.: 75 kW (102 PS) bei 2500/min. Lithium-Ionen-Akkus, Ladekapazi­tät: 8,7 kWh. Elektr. Reichweite: 45–50 km. Systemleis­tung max.: 150 kW (204 PS). Drehmoment max.: 350 Nm. Leergewich­t: 1615 kg. 0–100 km/h in 7,6 sec. Vmax: 222 km/h. Testverbra­uch: 4,4 bis 7,9 l/100 km. Frontantri­eb. Sechsgang-DSG.

ab 40.900 Euro. braucht es mehr als Notreserve­n. Ist keine Ladesäule zur Hand, kann man Strom über den Benzinmoto­r beziehen, wahlweise auffüllen oder Ladestand halten. Was man schnell am Verbrauch merkt.

Im digitalen Cockpit liest man weit gefasste Verbräuche ab. Auf der Kurzstreck­e, mit zwischendu­rch aufgeladen­en Akkus, sind es exotische Zahlen im Bereich von drei, vier Litern. Auf der Langstreck­e, die der Verbrenner allein bestreitet, fällt das hohe Gewicht zur Last: Über siebeneinh­alb Liter sind für ein, ja luxuriöses 200-PS-Auto respektabe­l, eignen sich aber kaum, um zu imponieren. Vor allem Prius-Fahrern.

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