„Hulapalu“: Sturms magische Nacht
Analyse. Bierdusche, Haar-Wette und Gabalier als Kabinengast: Sturm Graz kostete den fünften Cupsieg richtig aus. Heiko Vogels erster Coup lässt träumen, Salzburg aber bleibt Österreichs Nr. 1.
Seriensieger sind bewundernswert. Für Ausdauer, das Ertragen diverser Anfeindungen, das stete Umsetzen ihres Geschicks. Doch gewinnt einmal der Underdog ein Finale, gibt es einen neuen Sieger, sind Freude und Bewunderung umso größer. Man spricht dann von Sensationen, Märchen – dabei war es nur ein Spiel, nur ein Sieg.
Aus dieser Sicht muss man Sturms fünften Cupsieg verstehen. Das 1:0 gegen Salzburg im ÖFBCupfinale war Balsam auf die Seelen der „Blackies“. Es zeigte der Bundesliga, dass, wenn Einsatz, Glaube und System es ermöglichen, die Bullen schlagbar sind. Dass dennoch weiterhin kaum ein Weg an Salzburg in Liga und Cup vorbeiführen wird, daran bestehen doch kaum Zweifel.
Bierduschen über vorab gedruckte T-Shirts gehören zum Procedere, Konfetti-Regen und Siegerehrung mit Medaillen ebenso. Nicht unüblich sind skurrile Wetten, also muss sich nun SturmTrainer Heiko Vogel Gedanken darüber machen, wie denn seine Haarpracht aussehen soll. Glatze oder – in Klubfarben – schwarz gefärbt? Das Arrangement muss der Deutsche mit seiner Frau regeln, Sturms erster Triumph seit dem Meistertitel 2011 sollte flott darüber hinweghelfen. Sturms fünfter Cup (1996, 1997, 1999, 2010, 2018) ist zugleich Vogels erster Coup. Wie oft hatten nicht schon steirische Experten am Geschick des Nachfolgers von Franco Foda gezweifelt . . .?
Dass mit Stefan Hierländer just ein Ex-Salzburger (2016 ausgemustert) das entscheidende Tor in der Verlängerung (112.) schießen sollte, passt perfekt in dieses emotionale Bild. Erfolge gegen schier Übermächtige bewegen den Sport. Man hat etwas erreicht, es erfüllt mit Stolz. Etwa bei Lukas Spendlhofer, der eingestand, zuvor in seiner Karriere nur Landesmeister im Eisstockschießen gewesen zu sei.
In solchen Augenblicken öffnen sich dann auch zumeist die Kabinentüren. Für Politiker, die wie Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer tatsächlich echte Fans sind und nicht bloß im VIP- Klub sitzen wollen. Oder für Sänger wie Andreas Gabalier, die dann mit den Spielern umgehend den Hit „Hulapalu“anstimmen. Erst gegen zwei Uhr früh sollen die letzten Sturm-Spieler im Klubhotel eingetrudelt sein – zum Start der nächsten Feierlichkeiten.
Vogel war darum bemüht, dass die Seinen trotz aller Euphorie nicht das Wesentliche aus den Augen verlieren. Es ist das Spiel gegen Lask am Samstag, das Absichern des zweiten Platzes, der einen Start in der ChampionsLeague-Qualifikation ermöglicht. Dort waren die Grazer zuletzt 2011 angetreten und hatten gegen Borisow im Play-off verloren. Wer schon einmal im Konzert der Großen mitgespielt hat, sogar erfolgreich wie die „Blackies“, die dreimal in der Königsklasse aufgetaucht und 2001 sogar bis in die Zwischenrunde vorgedrungen waren, gerät schnell ins Träumen. Gut, dass Vogel kein Träumer ist.
Sturm hat drei Runden vor Schluss fünf Punkte Vorsprung auf Rapid. Lask ist sechs Zähler entfernt. Würden die Grazer diesen Platz verlieren, büßt der Trainer seine ganze Haarpracht ein.
Gute Spieler werden nicht automatisch gute Trainer. Zig ehemalige Torhüter versuchen sich als Sportdirektor, scheitern aber, laufen Ansprüchen hinterher. In Graz hat es Günter Kreissl aber geschafft, seine Position zu bestätigen. Mit guten Transfers, der richtigen Trainerwahl – der ehemalige Austrianer, Vienna- oder LeobenKeeper hat in diesem Bereich ein sicheres Händchen bewiesen.
Kreissl, dessen Vertrag bis 2020 verlängert wurde, predigt Bodenständigkeit. Er lebt sie den Spielern vor. Dass sich nun die Zugänge verschieben, die Erwartungen erhöhen, ist seine Herausforderung. 2010 gewann Sturm den Cup, wurde 2011 Meister. Die Geschichte holt einen immer wieder ein.
Dass Salzburg die Nummer 1 in Österreich bleiben wird, ist klar. Aber auch träumen viele, natürlich: von der Champions League. Glaubt man Erzählungen am Rande des Cupfinales, bleibt das Gros zusammen. Junuzovic´ soll heute als Spielmacher präsentiert werden. Trainer Rose sieht seine Mission in Salzburg noch nicht als erfüllt an – das klingt aus seinen Aussagen immer stärker durch. (fin)