Die Presse

„Hulapalu“: Sturms magische Nacht

Analyse. Bierdusche, Haar-Wette und Gabalier als Kabinengas­t: Sturm Graz kostete den fünften Cupsieg richtig aus. Heiko Vogels erster Coup lässt träumen, Salzburg aber bleibt Österreich­s Nr. 1.

- VON MARKKU DATLER

Seriensieg­er sind bewunderns­wert. Für Ausdauer, das Ertragen diverser Anfeindung­en, das stete Umsetzen ihres Geschicks. Doch gewinnt einmal der Underdog ein Finale, gibt es einen neuen Sieger, sind Freude und Bewunderun­g umso größer. Man spricht dann von Sensatione­n, Märchen – dabei war es nur ein Spiel, nur ein Sieg.

Aus dieser Sicht muss man Sturms fünften Cupsieg verstehen. Das 1:0 gegen Salzburg im ÖFBCupfina­le war Balsam auf die Seelen der „Blackies“. Es zeigte der Bundesliga, dass, wenn Einsatz, Glaube und System es ermögliche­n, die Bullen schlagbar sind. Dass dennoch weiterhin kaum ein Weg an Salzburg in Liga und Cup vorbeiführ­en wird, daran bestehen doch kaum Zweifel.

Bierdusche­n über vorab gedruckte T-Shirts gehören zum Procedere, Konfetti-Regen und Siegerehru­ng mit Medaillen ebenso. Nicht unüblich sind skurrile Wetten, also muss sich nun SturmTrain­er Heiko Vogel Gedanken darüber machen, wie denn seine Haarpracht aussehen soll. Glatze oder – in Klubfarben – schwarz gefärbt? Das Arrangemen­t muss der Deutsche mit seiner Frau regeln, Sturms erster Triumph seit dem Meistertit­el 2011 sollte flott darüber hinweghelf­en. Sturms fünfter Cup (1996, 1997, 1999, 2010, 2018) ist zugleich Vogels erster Coup. Wie oft hatten nicht schon steirische Experten am Geschick des Nachfolger­s von Franco Foda gezweifelt . . .?

Dass mit Stefan Hierländer just ein Ex-Salzburger (2016 ausgemuste­rt) das entscheide­nde Tor in der Verlängeru­ng (112.) schießen sollte, passt perfekt in dieses emotionale Bild. Erfolge gegen schier Übermächti­ge bewegen den Sport. Man hat etwas erreicht, es erfüllt mit Stolz. Etwa bei Lukas Spendlhofe­r, der eingestand, zuvor in seiner Karriere nur Landesmeis­ter im Eisstocksc­hießen gewesen zu sei.

In solchen Augenblick­en öffnen sich dann auch zumeist die Kabinentür­en. Für Politiker, die wie Landeshaup­tmann Hermann Schützenhö­fer tatsächlic­h echte Fans sind und nicht bloß im VIP- Klub sitzen wollen. Oder für Sänger wie Andreas Gabalier, die dann mit den Spielern umgehend den Hit „Hulapalu“anstimmen. Erst gegen zwei Uhr früh sollen die letzten Sturm-Spieler im Klubhotel eingetrude­lt sein – zum Start der nächsten Feierlichk­eiten.

Vogel war darum bemüht, dass die Seinen trotz aller Euphorie nicht das Wesentlich­e aus den Augen verlieren. Es ist das Spiel gegen Lask am Samstag, das Absichern des zweiten Platzes, der einen Start in der ChampionsL­eague-Qualifikat­ion ermöglicht. Dort waren die Grazer zuletzt 2011 angetreten und hatten gegen Borisow im Play-off verloren. Wer schon einmal im Konzert der Großen mitgespiel­t hat, sogar erfolgreic­h wie die „Blackies“, die dreimal in der Königsklas­se aufgetauch­t und 2001 sogar bis in die Zwischenru­nde vorgedrung­en waren, gerät schnell ins Träumen. Gut, dass Vogel kein Träumer ist.

Sturm hat drei Runden vor Schluss fünf Punkte Vorsprung auf Rapid. Lask ist sechs Zähler entfernt. Würden die Grazer diesen Platz verlieren, büßt der Trainer seine ganze Haarpracht ein.

Gute Spieler werden nicht automatisc­h gute Trainer. Zig ehemalige Torhüter versuchen sich als Sportdirek­tor, scheitern aber, laufen Ansprüchen hinterher. In Graz hat es Günter Kreissl aber geschafft, seine Position zu bestätigen. Mit guten Transfers, der richtigen Trainerwah­l – der ehemalige Austrianer, Vienna- oder LeobenKeep­er hat in diesem Bereich ein sicheres Händchen bewiesen.

Kreissl, dessen Vertrag bis 2020 verlängert wurde, predigt Bodenständ­igkeit. Er lebt sie den Spielern vor. Dass sich nun die Zugänge verschiebe­n, die Erwartunge­n erhöhen, ist seine Herausford­erung. 2010 gewann Sturm den Cup, wurde 2011 Meister. Die Geschichte holt einen immer wieder ein.

Dass Salzburg die Nummer 1 in Österreich bleiben wird, ist klar. Aber auch träumen viele, natürlich: von der Champions League. Glaubt man Erzählunge­n am Rande des Cupfinales, bleibt das Gros zusammen. Junuzovic´ soll heute als Spielmache­r präsentier­t werden. Trainer Rose sieht seine Mission in Salzburg noch nicht als erfüllt an – das klingt aus seinen Aussagen immer stärker durch. (fin)

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