Die Presse

„2021 kommt die Kundry“

Elina Garanˇca feiert am Samstag ihr internatio­nales Rollendebü­t als Dalila an der Wiener Staatsoper. Im „Presse“Gespräch kündigt sie weitere künstleris­che Wagnisse an.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Fünfzehn Jahre ist es her, dass Wiener Melomanen auf diese Edelstimme aufmerksam wurden: Im Jänner 2003 sang eine junge Lettin, die sich ihre ersten Sporen im Ensemble des Staatsthea­ters Meiningen verdient hatte, die Lola in Mascagnis „Cavalleria rusticana“an der Wiener Staatsoper – die Santuzza in derselben Oper wird sie in der kommenden Spielzeit im Haus am Ring verkörpern. Dazwischen liegt eine Bilderbuch­karriere, die das Mädchen aus Riga, das einsam in seinem Hotelzimme­r in der deutschen Provinz Opernparti­en und – mittels Wörterbuch und „Tagesschau“– auch die deutsche Sprache studierte, in den Olymp der Opernwelt katapultie­rte.

Schon zwei Jahre nach ihrem Hausdebüt war Elina Garancaˇ in Wien bereits Premierenb­esetzung für die Charlotte in Massenets „Werther“; am Pult stand damals Philippe Jordan, der künftige Musikdirek­tor des Hauses, der ab 2020 mit „der Garanca“ˇ zusammenar­beiten wird, die längst zum Kassenmagn­eten geworden ist, aber sich im Gespräch gibt wie ehedem. Selbstsich­er und besonnen war sie schon immer; kein Funke von Eitelkeit trübt aber nach wie vor den Dialog, der mittlerwei­le zum Resümee bisheriger Leistungen – und einem Ausblick auf künftige Wagnisse wird.

Wagnisse sind es gewiss, die Garancaˇ mit ihren Repertoire-Erweiterun­gen eingeht. Schon vor einigen Monaten, als sie erstmals die Eboli in Verdis „Don Carlos“sang – wiederum unter Philippe Jordan in Paris –, hielt die Opernwelt den Atem an: Da wage sich eine der wohltönend­sten Mezzostimm­en auf gefährlich dramatisch­es Terrain, meinten viele. Doch die Premiere wurde zu einem persönlich­en Triumph für die Künstlerin, die solche Pfade nur perfekt vorbereite­t betritt.

„Immer singe ich die großen Szenen und Duette einer neuen Partie vorab schon im Konzertsaa­l.“Das hat sich bewährt: „Ich weiß dann, wie die Stimme mit Orchesterb­egleitung bei bestimmten Passagen reagiert.“

Bühnendebü­ts absolviert sie „immer in Begleitung einer Vertrauens­person. Anfangs war das meine Mutter. Jetzt ist es mein Lehrer, der bei den Proben zu ,Samson und Dalila‘ in Wien dabei ist, wie er jeden großen Schritt, den ich in der Öffentlich­keit mache, begleitet, die erste Santuzza, die erste Eboli.“

In zwei Jahren Amneris in „Aida“

Er „überwacht“also auch den ersten Bühnenauft­ritt der neuen „Dalila“– die Staatsoper­npremiere am 12. Mai bringt das internatio­nale Rollen-Debüt. Er wird in zwei Jahren dabei sein, wenn die Garancaˇ ihre erste Amneris in „Aida“singen wird; eine Grenzparti­e im Verdi-Fach, die den ersten Auftritt in einer Grenzparti­e im Wagner-Fach vorbereite­n wird: „Ja, es stimmt – und es ist erstaunlic­h, dass ich darauf am meisten angesproch­en werde: 2021 kommt die Kundry.“

Die rätselhaft­este aller Frauengest­alten des Bayreuther Meisters in seinem letzten „Bühnenweih­festspiel“, dem „Parsifal“, fesselt die Garancaˇ seit Langem: „Ich glaube, die Kundry wird mir liegen. Jedenfalls betrachte ich sie als maximale Herausford­erung für die Sängerkarr­iere. Und wann, wenn nicht mit Mitte vierzig, sollte ich mich daran wagen?“

Diese neue Welt der Elina Garancaˇ fordert freilich einen anderen Umgang mit dem Energiehau­shalt als von früher gewohnt: „Ich glaube“, sagt sie lächelnd, „den Sesto in Mozarts ,Clemenza di Tito‘ oder die Charlotte könnte ich auch um vier Uhr morgens singen. Für eine Santuzza oder eine Eboli braucht man jedoch acht Stunden Schlaf. Mit der Kundry werde ich dann hoffentlic­h sagen können: Ich bin angekommen – ich werde dann schon wissen können, wissen sollen, wissen müssen, wie man’s durchsteht. Wobei ich ja an lange Partien gewöhnt bin, der ,Rosenkaval­ier‘ hat ja auch das erste und das letzte Wort in dieser Oper, der Romeo ist eine enorme Herausford­erung. Für die noch gewichtige­ren Dinge braucht man dann halt Einteilung­sfähigkeit und einen kühlen Kopf.“

Den hat sie immer schon gehabt. Den setzt sie auch bei der Programmie­rung ihrer beliebten Freiluft-Konzerte ein – im Verein mit ihrem dirigieren­den Mann Karel Mark Chichon: „Er ist ein Genie in Sachen Dramaturgi­e“– und findet offenbar immer die rechte Mischung aus anspruchsv­ollen Klassikern und Musik, die „das Publikum eventuell auch aus der Werbung oder aus dem Film kennt“. Für den unbeschwer­tem Genuss „nach der Pause“, demnächst bei Klassik „unter Sternen“(Göttweig, 4. Juli) und „in den Alpen“(Innsbruck, 7. Juli).

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[ Staatsoper/Michael Pöhn] „Man braucht halt einen kühlen Kopf“: Elina Garanca˘ als Dalila – Premiere ist am 12. Mai.

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