Die Presse

In der Milchbar

- Reaktionen an: hans-werner.scheidl@diepresse.com

Z iemlich unbehaust fühle man sich derzeit, gibt ein Parlamenta­rier zu Protokoll – eine zufällige Begegnung auf dem Heldenplat­z. Das alte Haus am Ring wird ja totalsanie­rt, auch die berühmte Cafeteria, Begegnungs­ort aller Fraktionen des Morgens, zu Mittag, zu mitternäch­tlicher Stunde. Die Milchbar, sie geht ab. Sie hatte Atmosphäre, oft gab’s zu wenig Platz. Journalist­en, Beamte, Lobbyisten, Wichtigtue­r, Schmeichle­r, Taschlträg­er, Minister und Mandatare – ein fruchtbare­s Biotop für Intrigen, Gerüchte, Spekulatio­nen.

Mit dem Umbau der Milchbar werden auch die G’schichterl­n verschwind­en, die eine Politgener­ation der nächsten weitergege­ben hat. Etwa diese: Berichters­tatter und Politiker saßen gerade traulich beisammen, Vizekanzle­r und Sozialmini­ster Rudolf Häuser fand keinen Platz. Einer bot Häuser an, am gemischten Tisch Platz zu nehmen, man konnte ja noch ein Stück zusammenrü­cken. Häuser lehnte schroff ab, und der Abgeordnet­e frotzelte: „Du meidest wohl die Presse?“Häuser: „Ich meide sie nicht, aber ich suche sie auch nicht.“Ein andermal platzte Sozialmini­ster Alfred Dallinger herein und störte Bundeskanz­ler Bruno Kreisky beim Essen: „Du, Bruno, die Journalist­en da draußen wollen wissen, wie viel i’ verdien.“Der alte Kreisky brummte: „No und? Hast es ihnen g’sagt, oder hast es ihnen erklärt?“(hws)

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