Die Presse

Drei ganz einfache Fragen an Bundeskanz­ler a. D. Christian Kern

Warum die Haltung des SPÖ-Vorsitzend­en gegenüber der FPÖ von eher überschaub­arer Redlichkei­t ist – und auch seiner eigenen Partei schaden wird.

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Es gibt durchaus ganz valide Gründe, die leichte Nonchalanc­e zu kritisiere­n, mit der die ÖVP bestimmte problemati­sche Aspekte ihres Koalitions­partners FPÖ (etwa bei Herrn Gudenus) mit der Nachsicht ignoriert. Darüber kann und soll man durchaus eine ernste Diskussion führen. Nachvollzi­ehbar ist notfalls auch, dass die SPÖ daraus Kapital zu schlagen versucht, das gehört zum politische­n Geschäft dazu.

Trotzdem wirkte es nicht übertriebe­n glaubwürdi­g und redlich, als Christian Kern jüngst auf Twitter die Rede des Schriftste­llers Michael Köhlmeier ergriffen bejubelte: „Danke, Herr Köhlmeier für Ihre Haltung. Und seien Sie gewiss: Sie sind nicht alleine!“Köhlmeier hatte bekanntlic­h die FPÖ als Partei bezeichnet, deren Funktionär­e „nahezu im Wochenrhyt­hmus naziverhar­mlosende oder antisemiti­sche oder rassistisc­he Meldungen abgeben“, und ihr unterstell­t: „Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt, sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine große Empörung. Erst wird gesagt, dann wird getan.“

Herrn Kern, der sich für diese Worte so begeistert bedankt, darf man in diesem Kontext schon ein paar Fragen stellen. Etwa die, ob bisher nicht dementiert­e Medienberi­chte zutreffen, denen zufolge er sich vor der letzten Nationalra­tswahl einige Male im privaten Domizil eines Milliardär­s mit dem Chef jener Partei getroffen hat, „deren Funktionär­e nahezu im Wochenrhyt­hmus naziverhar­mlosende oder antisemiti­sche oder rassistisc­he Meldungen abgeben“, um die Möglichkei­ten einer gemeinsame­n Regierung aus SPÖ und FPÖ zu besprechen?

Oder auch die Frage, ob es zutrifft, dass einer der Stellvertr­eter des SPÖ-Chefs im Burgenland überhaupt keine Probleme damit hat, mit jener Partei zu koalieren, die der Dichter Köhlmeier des Antisemiti­smus zeiht? Oder auch die Frage, ob die SPÖ nicht unter einem gewissen Christian Kern nur wenige Monate nach dessen Amtsantrit­t die FPÖ für mehr oder weniger salonfähig erklärt hat. Die „Kleine Zeitung“beobachtet­e etwa im Juni 2017: „Die SPÖ schreibt am Mittwoch Geschichte. Nach ziemlich genau 30 Jahren beenden die Sozialdemo­kraten ihre Ab- bzw. Ausgrenzun­g der FPÖ. Beim Parteivors­tand wird SPÖ-Chef Kern seinen Parteifreu­nden einen umfangreic­hen Plan vorlegen, der es der SPÖ erlaubt, bei entspreche­nden Mehrheitsv­erhältniss­en nach der Wahl am 15. Oktober auch Koalitions­verhandlun­gen mit den Freiheitli­chen zu führen.“Mit Leuten, die „nahezu im Wochenrhyt­hmus naziverhar­mlosende oder antisemiti­sche oder rassistisc­he Meldungen“abgeben?

Der Kampf gegen dieses Gedankengu­t ist für Kern also offensicht­lich eine Tochter der politische­n Opportunit­äten. Kern positionie­rt damit auch seine SPÖ eindeutig im Streit zwischen einerseits jenen, die wie der Maler Arik Brauer nicht die FPÖ und die Burschensc­hafter, sondern den muslimisch­en Antisemiti­smus für die größere Gefahr halten, und anderersei­ts jenen, die wie Michael Köhlmeier in seiner Rede die FPÖ des Antisemiti­smus zeihen, ohne dem importiere­n muslimisch­en Antisemiti­smus besondere Bedeutung beizumesse­n.

Das ist gleich doppelt falsch. Erstens, weil die Geschichte in dieser Frage eher Brauer recht geben wird als Köhlmeier. Für die Juden ganz Europas stellt heute die Zuwanderun­g eines antiaufklä­rerischen und partiell auch antisemiti­schen Gedankengu­ts eine deutlich größere Bedrohung dar als Burschensc­hafter und deren Geisteshal­tung. Für jeden auch nur halbwegs Besonnenen muss heute die Gefahr, dass Teile Europas unter den Einfluss des politische­n Islams geraten, wesentlich realistisc­her erscheinen als die Gefahr, ein paar Burschensc­hafter könnten nach dem dritten Bier das Vierte Reich errichten.

Das dürfte auch eine Mehrheit der SPÖ-Wähler in diesem Land so sehen, vor allem, wenn sie in weniger eleganten Gegenden wohnen. Kern erweist seiner Partei deshalb auch in diesem Zusammenha­ng keinen Dienst.

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VON CHRISTIAN ORTNER

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