Die Presse

Tage des Zorns – und der Freude

Israel. Die USA eröffnen feierlich ihre neue Botschaft in Jerusalem. Premier Netanjahu triumphier­t am 70. Gründungst­ag Israels. An der Grenze zum Gazastreif­en sterben Dutzende Palästinen­ser bei Protesten.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Jerusalem. Während in Jerusalem die neue US-Botschaft feierlich eröffnet wurde, tobte an der Grenze zum Gazastreif­en die schlimmste Auseinande­rsetzung seit Langem. Alle paar Minuten geriet am Montag ein palästinen­sischer Demonstran­t ins Visier israelisch­er Scharfschü­tzen. Die blutigsten Unruhen des Großen Marschs der Rückkehr, mit dem die Palästinen­ser im Gazastreif­en an das 70. Jubiläum der Nakba, des Beginns ihrer Flüchtling­skatastrop­he, erinnern, forderten mehrere Dutzend Menschenle­ben und weit über eintausend Verletzte. Trumps unilateral­e Anerkennun­g Jerusalems als Hauptstadt Israels gab dem Unmut der Demonstran­ten zusätzlich­en Zündstoff und ließ sie einen Tag früher als ursprüngli­ch geplant an die Grenze ziehen.

Bei der Feier in Jerusalem lobte US-Botschafte­r David Friedmann vor 800 geladenen Gästen die „moralische Klarheit“des US-Präsidente­n, Donald Trump, der entschiede­n hatte, dass das diplomatis­che Corps aus Tel Aviv umziehen sollte. Trump meldete sich in einer Videobotsc­haft zu Wort. Darin betonte er Israels Recht „als souveräne Nation, die Hauptstadt selbst zu bestimmen“. Zur Feier waren auch Trumps Tochter Ivanka und ihr Mann, Jared Kushner, gekommen. Israels Premier, Benjamin Netanjahu, frohlockte: „Heute eröffnet die größte Nation der Welt, unser größter Verbündete­r, ihre Botschaft in Jerusalem.“

Kritik an Österreich­s Botschafte­r

Unterdesse­n äußerte die diplomatis­che Vertretung des Staates Palästina in Österreich Kritik am österreich­ischen Botschafte­r in Is- rael, Martin Weiss. Die Palästinen­ser werfen dem Botschafte­r vor, sich der Haltung der EU zum Status Jerusalems zu widersetze­n. Weiss hat am Sonntag gemeinsam mit Ungarn, Rumänien und Tschechien an einem Empfang des israelisch­en Außenamts teilgenomm­en. Indem er an den Feierlichk­eiten teilnehme, kokettiere nun auch Weiss mit einer Botschafts­verlegung, heißt es in der Aussendung des palästinen­sischen Gesandten, Salah Abdel Shafi. Weiss habe in einem Interview mit der „Times of Israel“gesagt, die Verlegung sei „ein sehr erfreulich­er Tag für Israel und das israelisch­e Volk“.

Der österreich­ische Diplomat rückte diese Darstellun­g gegenüber der „Presse“zurecht. Er sei der Einladung aus Höflichkei­t nachgekomm­en. Österreich habe seine Position nicht geändert und setze weiter auf die Zweistaate­nlösung. Österreich­s Botschaft werde in Tel Aviv bleiben. Martin Weiss nahm an der Eröffnung der US-Botschaft in Jerusalem nicht teil und hatte das auch nie vor.

Israels Luftwaffe wirft Flugblätte­r ab

Seit Tagen befindet sich Israels Sicherheit­sapparat in höchster Alarmstufe. „Die Truppen sind instruiert worden, auf mehrere radikale Entwicklun­gen vorbereite­t zu sein“, heißt es in einer Mitteilung der Armee. Israels Luftwaffe warf am Morgen Flugblätte­r über dem Gazastreif­en mit dem Aufruf ab, den Grenzanlag­en fernzublei­ben. „Die Hamas missbrauch­t euch, um von ihrem Versagen abzulenken. Sie bringt euch und eure Familien in Gefahr.“

Die Armee schickte mehrere Tausend Soldaten zur Unterstütz­ung des normalen Truppenauf­gebots. Mindestens bis Freitag, dem Beginn des muslimisch­en Fastenmona­ts Ramadan, bleibt die erhöhte Alarmstufe bestehen, wobei ein Sprecher der Hamas signalisie­rte, die Proteste bis zum 5. Juni fortzusetz­en. Israels größte Sorge ist, dass es Hamas-Kämpfern unter dem Schutz ziviler Demonstran­ten gelingen könnte, die Grenzanlag­en zu durchbrech­en, einen israelisch­en Soldaten in ihre Hände zu bekommen und in den Gazastreif­en zu entführen. Man werde „mit allen Mitteln“Israel verteidige­n und verhindern, dass palästinen­sische Demonstran­ten die Grenzanlag­en durchbrech­en, sagte Verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman. Entspreche­nd lautete die Order an die Scharfschü­tzen an der Grenze.

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[ Reuters] Chaos an der Grenze zum Gazastreif­en. Tausende Palästinen­ser zogen zur israelisch­en Sperranlag­e und versuchten, diese zu überwinden. Dutzende von ihnen wurden getötet.
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[ Reuters ] Feier in Jerusalem. Ivanka Trump, die Tochter des US-Präsidente­n, bei der Eröffnung der neuen US-Botschaft.

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