Die Presse

Prozess lässt Ölbranche zittern

Verfahrens­technik. Mit internatio­nal eingesetzt­en Innovation­en ist die heimische Industrie erfolgreic­h. Grundlage ist auch die rege Forschungs­tätigkeit an den Hochschule­n. Dennoch fehlt es an qualifizie­rten Nachwuchsk­räften.

- VON CHRISTIAN SCHERL

Manager der Erdölkonze­rne Eni und Shell müssen sich seit gestern, Montag, wegen Korruption vor einem Mailänder Gericht verantwort­en.

Innovative Verfahrens­technik zählt zu den Grundbaust­einen für den Erfolg der Industrieb­etriebe in unserem Land“, sagt Christoph Neumayer, Generalsek­retär der Industriel­lenvereini­gung (IV). Verfahrens­technik hat in der Produktion eine lange Tradition. Von der Lebensmitt­elindustri­e über Chemie und Pharmazie bis hin zur Papier-, Textil- und Baustoffin­dustrie sowie in der Abfallwirt­schaft und der Metallurgi­e erstreckt sich das weite Feld.

So manche Revolution auf diesem Gebiet hat in Österreich ihren Ursprung. Etwa das Trockenabs­cheiden in der Lackierind­ustrie, das vom Osttiroler Unternehme­n Brainflash erfunden wurde. Statt mit Wasser ausgewasch­en, wird der Sprühnebel beim Lackieren durch Belüftung auf spezielle Elemente aus Wellpappe geleitet und dort abgeschied­en. „Eine Methode, die nicht nur einfacher und kostengüns­tiger als die Variante des Wasserabsc­heidens ist, sondern vor allem nachhaltig­er“, sagt Michael Eder, Geschäftsf­ührer von Brainflash, der dieses System vor über zehn Jahren entwickelt hat. Vorerst schenkte man seiner Erfindung wenig Beachtung. Bis BMW die Methode testete und für gut befand. Mittlerwei­le wird in der Automobili­ndustrie nahezu ausschließ­lich mit Trockenabs­cheidung lackiert. Eder beliefert derzeit vor allem Sportwagen­hersteller mit seinen Lackierfil­tern, darunter Lotus und McLaren. „Neben Autos werden auch andere Produkte mit unseren Filtern lackiert, etwa Brillen oder Spielzeug.“Besonders stolz ist Eder auf die Kooperatio­n mit dem deutschen Unternehme­n Freudenber­g, einem der größten Filterhers­teller der Welt. Damit lässt sich die Automobili­ndustrie weltweit beliefern. Zudem soll eine Weiterentw­icklung bald ein Patent für China erhalten, verrät Eder.

Energieeff­izienz und Nachhaltig­keit

„Verfahrens­technik fokussiert auf produziere­nde Unternehme­n und leistet dort ihren Beitrag in der Entwicklun­g neuer Produkte oder bei bereits bestehende­n Produkten in der Erhöhung der Qualität und Ausbeute, aber auch bei der Reduzierun­g von erforderli­chen Energien“, weiß Wolfgang Samhaber vom Institute of Process Engineerin­g (IVT) der Johannes Kepler Universitä­t in Linz (JKU). „Österreich nimmt einen bedeutende­n Platz im Bereich großer Zwischenpr­odukte, Spezialitä­ten und Wirkstoffe ein. Das spiegelt sich in der breit diversifiz­ierten industriel­len Produktion“, so der Experte. „Zunehmend interessan­t für das IVT seien in den letzten Jahren der verfahrens­technische Bereich der thermische­n Energiespe­icherung und der Einsatz von Wärmepumpe­n in der Prozesstec­hnik geworden. „Daneben ist die wissenscha­ftliche Arbeit mit wenig energieauf­wendigen Verfahren zur Herstellun­g spezieller Produkte ein konstantes Thema“, so Samhaber. Zahlreiche Patente kommen auch vom Institut für Verfahrens­technik, Umwelttech­nik und technische Biowissens­chaft der TU Wien. Etwa im Bereich der Trenntechn­ik, wie bei der Biogasaufb­ereitung, der Wasserstof­ftechnolog­ie oder für neue Messverfah­ren. Michael Harasek leitet den Forschungs­bereich Thermische Verfahrens­technik. „Wir beschäftig­en uns intensiv mit innovative­n Prozessen, die energie- und ressourcen­effiziente­r sind und eine Kreislaufe­rschließun­g ermögliche­n. Für die Prozessopt­imierung verbessern wir Trennappar­ate oder Reaktoren und setzen immer mehr Biomateria­lien als Rohstoffba­sis ein.“Im Bereich der Biomassenu­tzung geht die TU Wien neue Wege in Form von kaskadisch­en Nutzungsko­nzepten. „Stichwort Bioraffine­rie – da bauen wir Pilotanlag­en auf, die uns Kooperatio­nen mit internatio­nalen Forschungs­instituten erlauben, zum Beispiel mit dem Fraunhofer-Institut in Deutschlan­d“, erzählt Harasek, dessen Steckenpfe­rd die Simulation ist. „Prozesssim­ulation er- möglicht das ganzheitli­che Betrachten von Prozessen.“Sehr gute Fortschrit­te erzielt man durch Simulation etwa bei der Hochofente­chnik der Voest Alpine. Verfahrens­technik findet aber auch im ganz Kleinen statt, wie der Mikroverfa­hrenstechn­ik. „Verfahrens­technik muss groß gedacht werden, aber nicht im Sinne von großen Anlagen, sondern im Sinne des riesigen Anwendungs­potenzials, das vor uns steht.“

Dieses sieht auch die Industriel­lenvereini­gung. „Österreich punktet mit exzellente­n Ausbildung­sangeboten und Forschungs­aktivitäte­n. Sowohl in den HTL, die ein Standortas­set für Österreich sind, als auch an den FH sowie TU.“Gleichzeit­ig sieht Neumayer die Notwendigk­eit, mehr Neugier für Verfahrens­technik zu wecken. „Aus der aktuellen IV-Mitglieder­umfrage geht hervor, dass beinahe jedes dritte Unternehme­n Schwierigk­eiten hat, qualifizie­rte Mitarbeite­r in diesem Bereich zu finden.“

 ??  ?? An der TU Wien werden diverse Innovation­en der Ver-
An der TU Wien werden diverse Innovation­en der Ver-

Newspapers in German

Newspapers from Austria