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Mit der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem hat Trump einen internatio­nalen Konsens elefantös gebrochen. Doch das rechtferti­gt keine Gewalt.

- VON CHRISTIAN ULTSCH E-Mails an: christian.ultsch@diepresse.com

Leitartike­l von Christian Ultsch: „Intifada wäre die dümmste Antwort der Palästinen­ser“.........

I n Donald Trumps Welt ist alles ganz einfach, die Argumentat­ionskette verläuft so: Israels Regierunge­n haben seit der Staatsgrün­dung vor 70 Jahren ihren Sitz in Jerusalem. Jeder Staat hat ein Recht darauf, sich seine Hauptstadt selbst auszusuche­n. 1995 hat der US-Kongress beschlosse­n, Jerusalem als israelisch­e Kapitale anzuerkenn­en. Die US-Präsidente­n haben seither, obwohl sie in ihren Wahlkämpfe­n meist etwas anderes versproche­n haben, das Jerusalem-Botschafts­gesetz (Jerusalem Embassy Act) alle sechs Monate ausgesetzt. Ihre Hoffnung, mit diesem Aufschub eine israelisch-palästinen­sische Friedenslö­sung zu befördern, hat sich jedoch nicht erfüllt. Und deshalb kommt nun Donald Trump, setzt sein Wahlverspr­echen um, sieht der Realität mutig ins Auge und macht das Offenkundi­ge amtlich: Er erkennt die israelisch­e Hauptstadt als israelisch­e Hauptstadt an.

Die Israelis freuen sich darüber, denn sie sehen die Sache genau so. Die Palästinen­ser und der Rest der internatio­nalen Gemeinscha­ft (mit Ausnahme Guatemalas) sind jedoch alles andere als glücklich über den Alleingang. Denn die Causa ist völkerrech­tlich und historisch um einiges komplizier­ter, als Trump wahrhaben will.

Jerusalem ist das wild pochende Herz im jahrzehnte­langen Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern; die religiösen und nationalen Sehnsüchte beider Seiten bündeln sich wie unter einem Brennglas an diesem heiligen Ort. Man kann diese Stadt nicht einfach einem der Kontrahent­en zuschlagen. Denn sowohl Israelis als auch Palästinen­ser betrachten Jerusalem/ al-Quds als ihre Hauptstadt. Im gar nicht so unschlauen Teilungspl­an der UNO war deshalb 1947 vorgesehen, Jerusalem als neutralen Corpus separatum unter eine internatio­nale Treuhandsc­haft zu stellen. Dazu kam es nie. Denn die Araber lehnten diese frühe Zweistaate­nlösung, die sie damals so leicht hätten haben können, ab, griffen Israel an – und verloren den Krieg.

Der Weltgemein­schaft blieb aber auch danach bewusst, wie heikel die Jerusalem-Frage war. Daran änderte sich auch nichts nach Israels Eroberung des arabischen Ostteils der Stadt im Zuge des Sechs-Tage-Kriegs 1967. Im Gegenteil: Als das israelisch­e Parlament dreizehn Jahre später die Annexion und Jerusalem zur unteilbare­n Hauptstadt deklariert­e, fand dies internatio­nal keine Unterstütz­ung. Die Besetzung der Palästinen­sergebiete gilt als völkerrech­tswidrig.

Auch aus dem Osloer Friedenspr­ozess, der 1993 einsetzte, blieb das Jerusalem-Dossier aus gutem Grund ausgeklamm­ert. Um überhaupt einmal mit einer Annäherung zu beginnen, wollte man sich die schwierigs­ten Fragen für den Schluss aufheben: Und dazu zählte neben dem Grenzverla­uf eines künftigen Palästinen­ser-Staates und dem Rückkehrre­cht für Flüchtling­e vor allem Jerusalem. Die Ansprüche auf die Stadt sollten Israelis und Palästinen­ser erst in Endstatusg­esprächen klären.

Entspreche­nde Versuche scheiterte­n 2000 in Camp David und danach in diskretere­m Rahmen. Die Osloer Rechnung ging nicht auf: Die euphorisch­e Anfangsdyn­amik schlug in tiefe Frustratio­n um; von einem Friedensab­kommen sind Israelis und Palästinen­ser weiter entfernt denn je. Dennoch unterließ es die Weltgemein­schaft bisher, den Endstatusv­erhandlung­en vorzugreif­en und Jerusalem als Israels Hauptstadt anzuerkenn­en. Diesen Konsens hat der USPräsiden­t nun elefantös gebrochen. I ndem Trump die US-Botschaft verlegt, bekräftigt er damit implizit auch Israels Anspruch auf ganz Jerusalem, da kann er noch so oft dazusagen, dass die USA die Endstatusv­erhandlung­en nicht präjudizie­rt haben. Für die Palästinen­ser hat Amerika endgültig die Glaubwürdi­gkeit als Mittler verspielt. Es wäre jedoch ebenso fatal wie sinnlos, wenn die palästinen­sische Führung deshalb die Wutschleus­en für eine dritte Intifada öffnete.

Vielleicht könnten die Beteiligte­n kurz innehalten und die Aufregung relativier­en. Trumps Umzugsauft­rag gehört sicher nicht zu den weitsichti­gsten Entscheidu­ngen der Weltgeschi­chte. Doch letztlich spielt sich alles nur auf symbolisch­er Ebene ab. Die USA haben in Jerusalem bisher lediglich ein Schild vor ihrem Konsulat ausgetausc­ht. Das rechtferti­gt keine Gewalt.

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