„Es gibt keinen Plan B – keine Alternative zur Zweistaatenlösung“
UNO. Generalsekretär Antonio´ Guterres ist bei seiner WienVisite mit einer „Multiplikation der Konflikte“konfrontiert.
Wien. UN-Generalsekretäre erwecken oft den Eindruck, als würden die Probleme der Welt auf ihren Schultern lasten. So war dies bei Kofi Annan und Ban Ki-moon, den unmittelbaren Vorgängern von Antonio´ Guterres als institutionalisiertes Weltgewissen. Auch Portugals Ex-Premier war gestern in Wien niedergedrückt von den Nachrichten aus Nahost, von der stetig steigenden Opferzahl am Betonwall des Gazastreifens – an einem Tag, an dem sich die explosive Lage vor der heutigen Nakba, dem nationalen Trauertag der Palästinenser, wieder einmal entladen hat.
Es waren Worte des Bedauerns und der Sorge angebracht. Guterres hat in seiner Zeit als Chef des UN-Flüchtlingshilfswerks (UNHCR) und in seiner fast eineinhalbjährigen Amtszeit als UN-Chef eine gewisse Routine darin entwickelt. Doch seine Miene verdüsterte sich von Mal zu Mal, als er bei seinen Gesprächen mit den Spitzenrepräsentanten der Republik im Stundentakt darauf zu sprechen kam – erst am Ballhausplatz bei Bundeskanzler Sebastian Kurz, danach bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen und zuletzt bei Außenministerin Karin Kneissl am Minoritenplatz, die nicht an einen Flächenbrand in der Region glaubt.
Also sprach der UN-Chef: „Ich rufe zur Zurückhaltung auf.“Es ist ein Appell, der zum Standardrepertoire eines jeden UN-Generalsekretärs gehört. Und wie ein Mantra klang auch sein Credo zum Konflikt im Nahen Osten: „Wir brauchen eine politische Lösung. Es gibt keinen Plan B, keine Alternative zur Zweistaatenlösung.“
Womöglich trägt dieser Tage keiner so schwer an der Politik des Mannes im Weißen Haus in Washington, der sich aus dem Pariser Klimaabkommen und dem Atomabkommen mit dem Iran verabschiedet hat und der mit der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zusätzlich Öl ins Feuer gegossen hat. Antonio´ Guterres sprach von einer „Multiplikation der Konflikte“. Das freundlich gemeinte Mitgefühl, das Alexander Van Bellen formuliert, ist ihm wohl vertraut: „Ich beneide den UN-Generalsekretär in keiner Weise.“
Kurz als Verfechter des Atomdeals
Offene Kritik an den Konfliktparteien im Nahen Osten, an Benjamin Netanjahu oder Mahmoud Abbas oder gar an Donald Trump, kam Guterres nicht über die Lippen. Sehr wohl aber teilte er Seitenhiebe gegen den US-Präsidenten aus. Guterres hielt bei seinen Unterredungen am UNO-Sitz Wien geradezu demonstrativ ein Plädoyer für den Multilateralismus, für eine internationale Kooperation – und er stieß dabei auf großes Echo bei seinen Gesprächspartnern. „Multilateralismus ist wichtig und notwendig“, sagte beispielsweise der Bundespräsident.
Sebastian Kurz schwang sich überhaupt zum vehementen Verfechter des Atomdeals mit dem Iran auf, zumal er als Außenminister am Rande der Verhandlungen in Wien vor drei Jahren selbst ein wenig am Zustandekommen beteiligt war. „Wir haben ein klares Interesse, dass der Pakt bestehen bleibt. Er funktioniert, und er ist positiv. Es gibt strenge Kontrollen. Das Abkommen hat zur Stabilität beigetragen, die Aufkündigung wird das Gegenteil bewirken.“
An Zuspruch der Staats- und Regierungsspitzen und Einladungen nach Wien für Antonio´ Guterres fehlte es nicht. „Die UNO ist Teil unserer Identität geworden“, betonte Kurz. Der UN-Chef sicherte der in Wien ansässigen Atomenergiebehörde IAEA eine weiterhin wichtige Rolle zu. Zugleich urgierte er größere Ambition im Kampf gegen den Klimawandel. „Der Pariser Pakt ist ein Muss. Aber es muss mehr geschehen.“Ein Lichtblick bleibt ihm immerhin: Nordkorea – und die Hoffnung, dass internationale Diplomatie Früchte tragen könnte.