Die Presse

„Es gibt keinen Plan B – keine Alternativ­e zur Zweistaate­nlösung“

UNO. Generalsek­retär Antonio´ Guterres ist bei seiner WienVisite mit einer „Multiplika­tion der Konflikte“konfrontie­rt.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien. UN-Generalsek­retäre erwecken oft den Eindruck, als würden die Probleme der Welt auf ihren Schultern lasten. So war dies bei Kofi Annan und Ban Ki-moon, den unmittelba­ren Vorgängern von Antonio´ Guterres als institutio­nalisierte­s Weltgewiss­en. Auch Portugals Ex-Premier war gestern in Wien niedergedr­ückt von den Nachrichte­n aus Nahost, von der stetig steigenden Opferzahl am Betonwall des Gazastreif­ens – an einem Tag, an dem sich die explosive Lage vor der heutigen Nakba, dem nationalen Trauertag der Palästinen­ser, wieder einmal entladen hat.

Es waren Worte des Bedauerns und der Sorge angebracht. Guterres hat in seiner Zeit als Chef des UN-Flüchtling­shilfswerk­s (UNHCR) und in seiner fast eineinhalb­jährigen Amtszeit als UN-Chef eine gewisse Routine darin entwickelt. Doch seine Miene verdüstert­e sich von Mal zu Mal, als er bei seinen Gesprächen mit den Spitzenrep­räsentante­n der Republik im Stundentak­t darauf zu sprechen kam – erst am Ballhauspl­atz bei Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, danach bei Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen und zuletzt bei Außenminis­terin Karin Kneissl am Minoritenp­latz, die nicht an einen Flächenbra­nd in der Region glaubt.

Also sprach der UN-Chef: „Ich rufe zur Zurückhalt­ung auf.“Es ist ein Appell, der zum Standardre­pertoire eines jeden UN-Generalsek­retärs gehört. Und wie ein Mantra klang auch sein Credo zum Konflikt im Nahen Osten: „Wir brauchen eine politische Lösung. Es gibt keinen Plan B, keine Alternativ­e zur Zweistaate­nlösung.“

Womöglich trägt dieser Tage keiner so schwer an der Politik des Mannes im Weißen Haus in Washington, der sich aus dem Pariser Klimaabkom­men und dem Atomabkomm­en mit dem Iran verabschie­det hat und der mit der Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem zusätzlich Öl ins Feuer gegossen hat. Antonio´ Guterres sprach von einer „Multiplika­tion der Konflikte“. Das freundlich gemeinte Mitgefühl, das Alexander Van Bellen formuliert, ist ihm wohl vertraut: „Ich beneide den UN-Generalsek­retär in keiner Weise.“

Kurz als Verfechter des Atomdeals

Offene Kritik an den Konfliktpa­rteien im Nahen Osten, an Benjamin Netanjahu oder Mahmoud Abbas oder gar an Donald Trump, kam Guterres nicht über die Lippen. Sehr wohl aber teilte er Seitenhieb­e gegen den US-Präsidente­n aus. Guterres hielt bei seinen Unterredun­gen am UNO-Sitz Wien geradezu demonstrat­iv ein Plädoyer für den Multilater­alismus, für eine internatio­nale Kooperatio­n – und er stieß dabei auf großes Echo bei seinen Gesprächsp­artnern. „Multilater­alismus ist wichtig und notwendig“, sagte beispielsw­eise der Bundespräs­ident.

Sebastian Kurz schwang sich überhaupt zum vehementen Verfechter des Atomdeals mit dem Iran auf, zumal er als Außenminis­ter am Rande der Verhandlun­gen in Wien vor drei Jahren selbst ein wenig am Zustandeko­mmen beteiligt war. „Wir haben ein klares Interesse, dass der Pakt bestehen bleibt. Er funktionie­rt, und er ist positiv. Es gibt strenge Kontrollen. Das Abkommen hat zur Stabilität beigetrage­n, die Aufkündigu­ng wird das Gegenteil bewirken.“

An Zuspruch der Staats- und Regierungs­spitzen und Einladunge­n nach Wien für Antonio´ Guterres fehlte es nicht. „Die UNO ist Teil unserer Identität geworden“, betonte Kurz. Der UN-Chef sicherte der in Wien ansässigen Atomenergi­ebehörde IAEA eine weiterhin wichtige Rolle zu. Zugleich urgierte er größere Ambition im Kampf gegen den Klimawande­l. „Der Pariser Pakt ist ein Muss. Aber es muss mehr geschehen.“Ein Lichtblick bleibt ihm immerhin: Nordkorea – und die Hoffnung, dass internatio­nale Diplomatie Früchte tragen könnte.

 ?? [ APA ] ?? UN-Generalsek­retär Antonio´ Guterres im Gleichklan­g mit Sebastian Kurz im Bundeskanz­leramt.
[ APA ] UN-Generalsek­retär Antonio´ Guterres im Gleichklan­g mit Sebastian Kurz im Bundeskanz­leramt.

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