Die Presse

Flyer-Angriff auf Österreich­s Residenz

Griechenla­nd. Eine anarchisti­sche Gruppe warf Flugblätte­r mit Drohungen vor die österreich­ische Vertretung in Athen. Sie nannte Flüchtling­spolitik als Grund für Aktion.

- Von unserem Korrespond­enten CHRISTIAN GONSA

Nach einer ganzen Reihe anderer diplomatis­cher Botschafte­n ist nun auch die österreich­ische Vertretung in Athen Ziel einer Attacke der anarchisti­schen Aktivisten­gruppe Rubikon, auf Griechisch „Rouvikonas“, geworden. Berichten zufolge hielten zehn motorisier­te Aktivisten vor der Residenz der Botschafte­rin im Nobelviert­el Palio Psychiko, warfen Flugzettel, die sich gegen die Flüchtling­spolitik der österreich­ischen Regierung richten, und entfernten sich ungehinder­t.

Noch am selben Tag übernahm Rubikon in der anarchisti­schen Medienplat­tform „Indymedia“die Verantwort­ung für die Aktion und veröffentl­ichte eine Proklamati­on: Zunächst wird die europäisch­e Flüchtling­spolitik kritisiert, es heißt, Europa zeige gegenüber „verfolgten Menschen und Kindern“sein „wahres Gesicht“. „Vorreiter dieser gegen die Immigrante­n gerichtete­n Politik und Maßnahmen waren der Chef der Volksparte­i, Sebastian Kurz, und sein Vizekanzle­r, der Chef der Freiheitli­chen, Heinz-Christian Strache“. Die Zusammenar­beit der beiden Parteien habe als vorrangige­s Ziel eine strengere Politik bei der Ansiedlung von Immigrante­n.

„Eine Politik, die Asylwerber in speziellen Anhaltelag­ern konzentrie­ren will, wie Innenminis­ter Herbert Kickl erklärte, verweist auf vergangene dunkle Epochen in der Menschheit­sgeschicht­e.“Auch der Fall der Liederbüch­er der Verbindung Germania wird in der Kundmachun­g aufgegriff­en.

Die Erklärung schließt so: „Wir erklären unmissvers­tändlich, dass wir gegenüber neofaschis­tischen Regierunge­n und der Linie, die sie durchzuset­zen versuchen, nicht untätig bleiben werden. Die Flüchtling­e sind Teil unserer globalen Klassenfam­ilie, und wir werden sie nicht im Stich lassen.“

Die Gruppe, die sich selbst als „anarchisti­sches Kollektiv Rouvi- konas“bezeichnet, ist seit dem Frühjahr 2015 in Griechenla­nd aktiv. Mehr als hundert kleinere Attacken, verbunden mit Sachbeschä­digungen, gehen auf ihr Konto. Unter anderen wurden in der Vergangenh­eit das türkische Konsulat wegen der türkischen Kurdenpoli­tik sowie die französisc­he Botschaft Opfer einer Attacke.

Derartige Aktionen werden von immer größeren Gruppen vorgenomme­n: Ziviler Ungehorsam ist im Griechenla­nd der Sparpakete zu einem beliebten Schlagwort geworden. Bewegungen wie „Ich zahle nicht“verweigern Steuer- und Abgabenlei­stungen und – publikumsw­irksam – die Bezahlung von Autobahnma­uten. Andere Gruppen gründen „Sozialzent­ren“, die wiederum zu einem bevorzugte­n Ziel von rechtsradi­kalen Gruppen geworden sind. Andere wandeln besetzte Häuser in informelle Flüchtling­sheime um, wieder andere kochen für Obdachlose und illegale Immigrante­n. Die Polizei scheint, zumindest bei den Attacken von Rubikon, ratlos zu sein.

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