Die Presse

Ein Schwarzes Loch am Brenner

Der EU-Rechnungsh­of kritisiert planlose Eisenbahnp­olitik.

- Josef.urschitz@diepresse.com

V orige Woche war der österreich­ische Vertreter im EU-Rechnungsh­of, Oskar Herics, im Parlament zu Besuch. Dort referierte er über dies und das – und über einen brisanten Punkt, den die Parlaments­korrespond­enz verschämt im letzten Absatz ihres Berichts versteckte: Der ohne Finanzieru­ngskosten rund zehn Mrd. Euro, in der Endabrechn­ung einschließ­lich Finanzieru­ng dann aber wohl eher zwanzig Mrd. Euro teure Brennerbas­istunnel, an dem Österreich seit einiger Zeit so eifrig baut, sei Teil eines „nationalen Fleckerlte­ppichs“und damit reichlich sinnlos, meinte er.

Es fehlen nämlich die Zu- und Ablaufstre­cken, für deren Bau Italien kein Geld und zu deren Errichtung Deutschlan­d keine Lust hat. Der Tunnel werde zumindest bis Mitte dieses Jahrhunder­ts keinen Beitrag zur Verlagerun­g des Güterverke­hrs auf die Schiene leisten können.

Sein Bau basiere zudem auf Verkehrspr­ognosen, die „Österreich mit Deutschlan­d und Italien nicht abgestimmt“habe. Überdies gebe es in Österreich „keinen Bedarf für Hochgeschw­indigkeits­strecken“, trotzdem habe man sich für derartige Milliarden­investitio­nen entschloss­en.

Starker Tobak. Man kann sich ungefähr vorstellen, wie der bevorstehe­nde Bericht des Europäisch­en Rechnungsh­ofs zum Brennertun­nel aussehen wird. Aber Herics hat natürlich recht: Die EU-Eisenbahnp­olitik ist eine Katastroph­e. Es werden auf dem Papier wunderschö­ne Transeurop­äische Netze (TEN) gezogen, die in der Praxis aber reine Theorie bleiben, weil nationale staatliche Bahngesell­schaften und Verkehrsmi­nister gegeneinan­der statt miteinande­r arbeiten und so etwas wie eine europäisch­e Koordinati­on weit und breit nicht zu sehen ist. W ir bauen also mit Hochdruck und Milliarden­einsatz an einem gigantisch­en Bauwerk, das nach seiner Fertigstel­lung mangels Zulaufs wahrschein­lich noch jahrzehnte­lang ohne konkreten Nutzen sein wird. Bei wirtschaft­licher Betrachtun­gsweise würde man sich jetzt natürlich um verstärkte Abstimmung mit den Nachbarn bemühen – und die heimischen Investitio­nen ein bisschen mit jenen der Nachbarn synchronis­ieren.

Aber so weit, das zu fordern, wollen wir doch nicht gehen: Wir wollen dem Tiroler Landeshaup­tmann ja nicht die schöne Tunneleröf­fnungszere­monie vermasseln. Das muss uns schon ein paar Milliarden Euro wert sein.

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