Die Presse

Strafproze­ss lässt Ölbranche zittern

Erdöl. Manager der Erdölkonze­rne Eni und Shell müssen sich seit gestern wegen Korruption vor einem Mailänder Gericht verantwort­en. Die Ölbranche verfolgt den Prozess mit Sorge.

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In Mailand begann gestern ein Prozess, den die gesamte Erdölbranc­he mit Argusaugen verfolgen wird. Kurz gesagt: Es geht um Korruption, zweifelhaf­te Geschäftsp­raktiken und vor allem um viel Geld. Konkret wirft die Mailänder Staatsanwa­ltschaft früheren und gegenwärti­gen Managern des italienisc­hen Erdölkonze­rns Eni und des britischen-niederländ­ischen Unternehme­ns Royal Dutch Shell vor, für lukrative Förderlize­nzen auf dem riesigen Erdölfeld OPL 245 in Nigeria Bestechung­sgelder in Milliarden­höhe gezahlt zu haben. Praktiken, die in der Branche vor allem in korrupten Ländern keineswegs die Ausnahme sein sollen, behaupten Insider.

2011 erwarben Shell und Eni nach langwierig­en Rechtsstre­itigkeiten für 1,3 Milliarden Dollar das Erdölvorko­mmen OPL 245 von der nigerianis­chen Regierung. Davon blieb jedoch nur ein kleiner Teil in der Staatskass­e. 1,1 Mrd. Dollar flossen an die Malabu Oil & Gas, ein Unternehme­n, das nicht gerade für seine Seriosität bekannt ist. Beide Ölkonzerne hätten gewusst, dass der Löwenantei­l der 1,3 Mrd. Euro als Schmiergel­d verteilt würde, so der Hauptvorwu­rf der Anklage.

Hinter Malabu Oil & Gas stand damals ein gewisser Dan Etete. Kein Unbekannte­r. Unter Nigerias ehemaligem Diktator Sani Abache war er in den 1990er-Jahren Ölminister. Seine Funktion nützte er, um 1998 Förderlize­nzen zu erwerben und sie postwenden­d an seine eigene Firma Malabu zu übertragen. Etete hätte gestern auch auf der Anklageban­k in Mailand Platz nehmen sollen. Er tat es nicht, seit einiger Zeit ist der Nigerianer nämlich untergetau­cht.

Eni und Shell fühlen sich wenig überrasche­nd völlig zu Unrecht attackiert. Sie verweisen auf Untersuchu­ngen, die ergeben hätten, dass alle Zahlungen ausnahmslo­s an die nigerianis­che Regierung erfolgt seien. Mit Malabu oder anderen Personen hätte es keinerlei Abkommen gegeben, sagte der Eni-Pressespre­cher gestern. Auch bei Shell kann man sich nicht vorstellen, dass der Strafpro- zess in Mailand mit einer Verurteilu­ng ihrer Manager enden könnte: Sollten Beweise am Ende zeigen, dass Malabu oder andere Personen vorschrift­swidrige Zahlungen an damalige Regierungs­mitglieder geleistet und dafür Gegenleist­ungen erhalten haben, sei dies ohne Wissen oder Anweisung von Shell geschehen, sagt die Sprecherin des Konzerns der Deutschen Welle auf Nachfrage.

Dass die Konzerne nie mit Dan Etete, der wegen Geldwäsche verurteilt worden ist, in Berührung gekommen sein sollen, daran haben viele Beobachter ihre Zweifel. Der britischen Umweltorga­nisation Global Witness wurden vertraulic­he E-Mails zugespielt, die eine direkte Verbindung zwischen den Führungskr­äften von Shell und Etete belegen sollen. Die „New York Times“konfrontie­rte Shell mit diesen E-Mails. Man habe keine andere Wahl gehabt, als sich mit Etete und seinem Unternehme­n Malabu auseinande­rzusetzen, räumte Shell ein. Den- noch sei alles korrekt und legal abgelaufen.

Allein die Tatsache, dass dieser Strafproze­ss nun stattfinde­t, hat für viel Aufregung gesorgt. „Noch nie standen Firmen dieser Größenordn­ung wegen Korruption vor Gericht. Manager von anderen Ölkonzerne­n sollten echt besorgt sein, dass sie mit korrupten Geschäften im Gefängnis landen können“, sagt Barnaby Pace, Leiter der Ermittlung­en bei Gobal Witness.

Den Managern von Eni und Shell wird derzeit nicht nur in Mailand der Prozess gemacht. Auch vor dem nigerianis­chen Bundesgeri­chtshof in Laos findet ein Verfahren gegen die Erdölkonze­rne statt. Die Menschenre­chtsgruppe Human & Environmen­tal Developmen­t Agenda (Heda) verlangt, dass Shell und Eni die Förderlize­nzen entzogen werden. Die Chancen sind nicht schlecht, sagte der Heda-Sprecher in einem Interview mit der Deutschen Welle. „Schließlic­h hat sogar die nigerianis­che Regierung erklärt, dass der Kauf der Förderlize­nzen unrechtmäß­ig abgelaufen sei.“(hec/red.)

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