„Das ist kein Film, das ist eine Krankheit“
Cannes I. Terry Gilliams Film „The Man Who Killed Don Quixote“wird das Festival beschließen. Fast 30 Jahre brauchte es, ihn fertigzustellen. „Die Presse“traf den Regisseur und Monty-Python-Star am Set, als die Pannenserie noch nicht aus war.
Fast wäre auch die Premiere in Cannes gescheitert: Ein portugiesischer Produzent erhob Anspruch auf die Rechte an Terry Gilliams jüngst fertiggestelltem Film „The Man Who Killed Don Quixote“, ein französisches Gericht urteilte schließlich, dass er doch gezeigt werden darf – als Abschlussfilm am Samstag (hierzulande ist ein Kinostart im September geplant). Es war die hoffentlich letzte Hürde in einer Serie unglücklicher Umstände, die die Geburt der Cervantes-Adaption, an der Gilliam seit 1989 arbeitete, erschwerten. Ein Drehversuch mit Johnny Depp und Jean Rochefort musste 2000 abgebrochen werden, nachdem Kampfjets den Ton verhaut, Unwetter das Set weggeschwemmt und Bandscheibenprobleme Rocheforts Reitversuche vereitelt hatten (die Doku „Lost in La Mancha“schildert das Debakel eindrücklich). Es folgten wiederholt Neuanläufe, Versicherungsstreitigkeiten, gesundheitliche, rechtliche und finanzielle Schwierigkeiten. Vor einem Jahr schien der Fluch dann schon fast überwunden: Wieder wurde gedreht, diesmal mit Jonathan Pryce und Adam Driver in den Hauptrollen. „Die Presse“war im portugiesischen Tomar dabei und traf Gilliam zum Gespräch.
Die Presse: Haben Sie eine Ahnung, warum das Filmemachen bei Ihnen so viel schwieriger zu sein scheint als bei Ihren Kollegen? Terry Gilliam: Vielleicht mache ich es mir selbst schwer. Wenn es zu leicht wird, entspanne ich mich nämlich. Man muss das Adrenalin aber am Fließen halten, und das passiert meist dann, wenn etwas schiefläuft. Ich glaube, ich werde langsam zu alt, um das zu genießen. Mir fehlt die Ausdauer. Ich hasse Hitze, ich hasse Luftfeuchtigkeit – und hier sind wir, in Portugal! Willkommen!
Haben Sie jetzt alles unter Kontrolle? Niemand hat hier Kontrolle. Der ganze Film basiert auf der Chaostheorie. Irgendwo ist ein kleiner Schmetterling, der einen Hurrikan auslösen wird. Aber bis jetzt sind wir ohne Hurrikan durchgekommen. Die Sache wird übrigens bedrohlicher, je mehr wir uns dem Ende nähern: Dieser Film könnte tatsächlich fertig werden! Es war leichter, als wir wussten, dass wir keine Chance haben.
Und dann was? Eben, dann was? Kein Traum mehr. Das war immer meine Sorge. Es ist sehr gefährlich, seinen Traum umzusetzen. Man sollte es besser nicht tun. Denn sobald er Realität wird, wirst du beurteilt, und wenn du nicht so erfolgreich bist, wie die Leute erwartet haben, ist es aus. Ich mag das Unvollständige, man kann seine Fantasie nutzen, um die Lücken zu füllen. Die Fantasie ist immer besser als das, was wir tatsächlich tun können.
Hat sich das Ganze manchmal angefühlt, wie gegen Windmühlen zu kämpfen? Total. Es war doch lächerlich. Meine Frau und die meisten intelligenten Leute haben gesagt: Du bist ein Idiot, das durchzuziehen. Aber wenn du mit dem Don-Quixote-Virus infiziert bist, steckst du fest. Das ist kein Film, das ist eine Krankheit. Ich versuche, sie loszuwerden, damit ich wieder leben kann.
Es war also der Don Quixote in Ihnen, der Sie weitermachen ließ? Ja. Das ist wirklich dumm. Ich habe nämlich das Buch gelesen: Es geht nicht gut aus!
Don Quixote macht sich die Welt mithilfe seiner Vorstellungskraft interessanter – ist Filmemachen nicht so etwas Ähnliches? Jeder redet immer nur von Quixotes Vorstellungskraft. Der Punkt ist doch: Quixote leidet die ganze Zeit. Er leidet, nicht die Welt.
Das Drehbuch hat sich über die Jahre und Drehversuche stark verändert . . . Ich finde, es ist besser geworden. Ich frage mich, ob Cervantes es mögen würde. Es ist jetzt sehr zeitgenössisch. In einer früheren Version reiste ein Werberegisseur ins 17. Jahrhundert. Jetzt ist es im Grunde eine Geschichte über die Gefahren des Filmemachens. Wie Filme Leben zerstören können.
Haben Sie das selbst erlebt? Wir haben „Monty Python und die Ritter der Kokosnuss“in einem kleinen schottischen Dorf gedreht, das sich durch unsere Anwesenheit sehr verändert hat: Ehen sind zerbrochen, Frauen sind schwanger geworden, das Leben der Leute wurde sehr durcheinandergewirbelt, weil eine Filmcrew ins Dorf kam. Darum geht es im Kern auch hier.
Wäre es dann nicht verantwortungsbewusster, keine Filme mehr zu drehen? Nein, denn meine sind inspirierend und fröhlich! Das Schlimmste passierte, nachdem „König der Fischer“erschienen war: Ein Mann betrat einen McDonald’s in Texas und tötete viele Leute. Man sagte, dass wir verantwortlich seien, dass der Mörder ein Ticket für „König der Fischer“in der Tasche gehabt hätte. Nichts davon war wahr. Was allerdings wahr war: Der Kongress stimmte gerade über Waffengesetze ab. Diejenigen, die keine strengeren Gesetze wollten, zogen es vor, einem Film die Schuld zu geben.
Sie sagten vorhin am Set, dass dies tatsächlich ein guter Film werden könnte. Gab es Filme, bei deren Dreharbeiten Sie weniger optimistisch waren? Immer! Ich hasse es, Filme zu machen. Ich finde es schmerzvoll. Es ist leicht, sich etwas vorzustellen, aber dann verbringst du Stunden damit, eine einzelne Szene zu drehen. Und ich habe immer vermieden, mit Pferden zu drehen. Das hier ist der Albtraum! Wir hätten bei den Kokosnüssen bleiben sollen. Kokosnüsse, oh Kokosnüsse! Wir waren wirklich schlau, als wir jung waren.