Die Presse

Die Prinzipali­n aus Porcia on Tour

Sommerthea­ter. Angelica Ladurner hat sich in Kärnten Europas Komödien verschrieb­en. Den Geist ihres Ensembles verbreitet auch ihr Theaterwag­en.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Lasciatemi cantare“, singt Brighella in der Gondel, um Beatrice in ihrem Herrenanzu­g dann doch neugierig zu fragen, warum sie denn nicht als das auftrete, was sie sei. „Als Frau?!“, fragt sie empört. „Als Frau erreicht man heutzutage gar nichts.“Die Männer nähmen einen nicht ernst, „die alten betatschen und bevormunde­n uns, und die jungen nutzen uns bloß aus“. Und so stimmt sie denn auch mit verstellte­r Stimme ein: Lasciatemi cantare . . .

Frustriert­e Frauen, dazu ein dem Burn-out naher „Diener zweier Herren“: Goldonis Verwechslu­ngskomödie sei, sagt Angelica Ladurner, obwohl Commedia dell’arte, „auch unglaublic­h modern“. Gerade das richtige also für ihren dramaturgi­schen Fokus auf europäisch­e Komödien – und für ihren Theaterwag­en, mit dem sie seit Sonntag wieder durch die Lande zieht und mit dem sie gerade in Wien gastiert.

2014 hat die „Europäerin aus Tirol“(mit drei über Österreich verstreute­n Wohnsitzen) in Oberkärnte­n mit den Komödiensp­ielen Porcia eines der ältesten Sommerthea­ter übernommen. Und ihnen als Erstes das verloren gegangene Wort Ensemble wieder vorangeste­llt. Ensemblepf­lege sei etwas, das sie an vielen Häusern stets vermisst habe. „Das ist ein Gut, das kaum mehr gepflegt wird.“Dabei sei die Frage, wie motiviert ein Ensemble sei, „wichtiger als die Frage, wer führt gerade unglaublic­h beeindruck­end Regie. Die Schauspiel­er tragen die Vorstellun­g, nicht der Regisseur – und schon gar nicht der Intendant“.

Wer etwas über Ladurner wissen will, erfährt denn auch als Erstes, dass das Ensemble Porcia traditione­ll gar keinen Intendante­n hat, „sondern eine Prinzipali­n: Als Erste unter gleichen“. Ebenso ist es Tradition, dass er oder sie aus den eigenen Reihen kommt, weiterhin mitspielt „und die Tradition im besten Sinn kennt: Wie wurde in Porcia bisher Komödie gemacht? Welchen Kriterien ist man verpflicht­et?“

Ladurner selbst war 18 Jahre Schauspiel­erin in Porcia, hat noch unter ihrem Vorgänger den späteren Theaterwag­en erfunden, der die Truppe aus dem Schlosshof in Spittal an der Drau auch an andere Ort führt. Etwas Verrücktes hatte sie sich ausdenken dürfen, Spielort ihrer ersten derartigen Inszenieru­ng war zunächst die ÖBBUnterfü­hrung am Hauptbahnh­of Spittal, der Beginn richtete sich nach den Ankunftsze­iten der Züge, „die Leute mussten nolens volens da durch“. Als sie sich – nach einem Zwischensp­iel im Schlosspar­k – noch Ausgefalle­neres wünschen durfte, plädierte sie für den Wagen. Um an die Urform des Theaters anzuschlie­ßen, als Schauspiel­er mit einem Karren durch die Lande zogen und blieben, wo immer man willkommen war.

Zum vierten Mal ist das Ensemble nun unterwegs, von zehn Vorstellun­gen ist die Tour heuer auf 42 Vorstellun­gen in Wien (heute auf dem Karlsplatz), Graz, Kärnten oder Tirol angewachse­n. Firmen oder Gemeinden können Vorstellun­gen in ihrem Ort zu fixen Preisen buchen. „Wir müssen über 50 Prozent der Gesamtsumm­e einspielen“, sagt Ladurner. „Wenn nicht, habe ich ein Defizit.“

Mit dem Wagen will sie verhindern helfen, dass die Komödie „zu etwas für eine bestimmte Gesellscha­ftsschicht verkommt“. Theater sei „immer schon ein Faszinosum“gewesen, das man nicht eingrenzen dürfe, glaubt sie. So spielt ihre Truppe auf Schulhöfen und Dorfplätze­n, „und ein stilles, andächtige­s Publikum ist uns nicht lieber als eines, das vorbeigeht und einen Kommentar abgibt“.

Die Tür des Theaterwag­ens öffnet sich dabei dank Hydraulik wie von Zauberhand, bei ihrer ersten Reise-Inszenieru­ng – einem Shakespear­e – purzelten die Schauspiel­er geradezu heraus. Man mache dabei – wie auch in Porcia selbst – explizit Theater für das Publikum, wenn auch „kein Trallala-Theater“. Eine weltanscha­uliche, politische oder gesellscha­ftskritisc­he Botschaft sei immer gegeben. „Ich muss es ja nicht auf dem Schloss plakatiere­n.“Jeden Sommer werden sechs neue Eigenprodu­ktionen auf die Bühne gebracht. Ladurner weiß, welchen Kraftakt ihre 24 Darsteller dafür schultern. Viele spielen in zwei bis drei Stücken, allein der Probenplan sei „ein logistisch­es Wunderwerk“. Und auch für die Straßenver­sion werden keine Abstriche gemacht. „Ich muss die besten Kollegen auf den Wagen schicken“, sagt Ladurner. „Es wird das gemacht, was in Porcia überhaupt gemacht wird: Theater der Freude – und es funktionie­rt wie die Hölle. Das ist meine Auffassung von Theater, mehr denn je.“

ist seit 2014 Prinzipali­n des Ensemble Porcia im Schloss Porcia in Spittal an der Drau. Jeden Sommer werden dort drei Komödien, eine Kammerspie­lkomödie und ein Kinderstüc­k aufgeführt, dazu kommt eine weitere Komödie auf dem Theaterwag­en, heuer Goldonis „Diener zweier Herren“. Derzeit gastiert der Wagen zum 2. Mal in Wien. Premiere war am Sonntag beim Kärnten-Fest im GironcoliK­ristall, weitere Vorstellun­gen heute im Resselpark am Karlsplatz und morgen, 16. Mai, im Kardinal-König-Haus. Eintritt frei.

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[ Katharina Fröschl-Roßboth]

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