Die Presse

„Allgemeine Wut in sich“

Bluttat. Ein 16-jähriger Nachbar des am Freitag in einem Wiener Gemeindeba­u erstochene­n siebenjähr­igen Mädchens hat die Tat gestanden. Er sei – ohne konkreten Anlass – wütend gewesen und habe dem Kind die Kehle durchgesch­nitten.

- VON MANFRED SEEH UND CHRISTOPH AUFREITER

Ein 16-Jähriger hat den Mord an einem siebenjähr­igen Mädchen gestanden.

Die Bluttat, die am vergangene­n Freitag im Dittes-Hof in WienHeilig­enstadt verübt worden war, ist geklärt: Ein 16-jähriger Gymnasiast, der ebenfalls in dem Gemeindeba­u wohnt und das Mädchen gut kennt, hat gestanden, dem Kind mit einem Brotmesser die Kehle durchgesch­nitten zu haben. Beide Familien, die des Opfers und die des Täters, stammen aus Tschetsche­nien.

Der Täter ist vor 14 Jahren, als Zweijährig­er, mit seinen Eltern von Tschetsche­nien nach Österreich geflohen. Etwa zur selben Zeit war auch die Opferfamil­ie ins Land gekommen. Ein konkretes Motiv, wie etwa eine Familienfe­hde, gebe es laut Polizei nicht. Auch schulische Probleme soll der Jugendlich­e nicht gehabt haben. So sei er etwa auch nicht von Mitschüler­n gemobbt worden. Der 16-Jährige, der einen in Österreich gängigen Namen angenommen hat, gilt als guter Schüler.

„Falsche Zeit, falscher Ort“

„Er hat angegeben, dass sich bei ihm in der vergangene­n Woche eine allgemeine Wut aufgebaut hat“, erklärte der stellvertr­etende Ermittlung­sleiter des Wiener Landeskrim­inalamts (LKA), Gerhard Haimeder. Im Verhör habe der Jugendlich­e auf die Frage „Warum dieses Mädchen?“lediglich erklärt: „Sie war zur falschen Zeit am falschen Ort.“

Noch sind die Ermittlung­en freilich nicht abgeschlos­sen. Die Dateien am Computer des 16-Jährigen werden untersucht. Bisher ergaben sich aber auch keine Hinweise auf eine Radikalisi­erung des Täters. Vorerst blieb den sichtlich erschütter­ten Ermittlern, Haime- der und dem Vize-LKA-Chef Michael Mimra, am Dienstag im Rahmen einer Pressekonf­erenz nur zu sagen, dass auch ihnen so ein Fall noch nie untergekom­men sei.

Wohnung statt Waschküche

Zu den bisherigen Ermittlung­en schilderte­n die Beamten Folgendes: Zuerst sei es für die Polizei wichtig gewesen, den genauen Tatort zu ermitteln. Da der Kopf des Opfers fast bis zur Gänze abgetrennt worden war, gingen die Ermittler davon aus, dass der Täter das an einem Ort gemacht haben musste, an dem er ungestört war. Die erste Vermutung fiel dabei auf die Waschküche­n im Gemeindeba­u. Als die Beamten diese Variante ausschließ­en konnten, verlagerte­n sich die Ermittlung­en auf das gesamte Gebäude. Eine Suche nach Blutspuren begann. Blutspürhu­nde kamen zum Einsatz. Vor einer Haustüre schlugen die Diensthund­e schließlic­h an. In der Wohnung fanden die Beamten eine vierköpfig­e Familie vor. Der 16-jährige gab zunächst vor, dass er sich geschnitte­n hätte und die Hunde wohl sein Blut riechen würden.

Laut Haimeder habe der Jugendlich­e aber schon kurz darauf alles gestanden. Nämlich, dass ihn das Kind besuchte, als er allein in der Wohnung war. Er lockte es daraufhin ins Bad und stieß es in die Dusche, wo es zu der Bluttat kam.

„Das Geständnis war sehr kühl. Der Verdächtig­e wirkt auch gegenwärti­g sehr empathielo­s“, schilderte Haimeder vor Journalist­en. Und: „Das ist ein fescher, junger Bursche, dem Sie so etwas niemals zutrauen würden.“

Nach der Tat versuchte der 16-Jährige die Spuren zu beseitigen. Dies gelang aber nicht, sodass eben später die eingesetzt­en Hunde anschlugen.

Davor hatte ein Bedienstet­er der MA 48 den Leichnam des Kindes in einem Müllcontai­ner innerhalb des Gemeindeba­us entdeckt. Das tote Kind steckte in einem Plastiksac­k, die Beine ragten noch hinaus.

Auf die Frage, ob der Täter nicht damit rechnen musste, erwischt zu werden, gaben die Ermittler an: „Wahrschein­lich schon, hat er gesagt, aber er hat auch gehofft, dass die Müllabfuhr vielleicht doch schneller ist.“

Weiters schilderte­n die Beamten das Verhalten des Gymnasiast­en so: „Es ist ihm egal – von seinen Aussagen und seiner Körperspra­che her. Die Mutter des Opfers tut ihm leid. Nicht das Mädchen.“

Bis zu 15 Jahre Haft drohen

Dienstagna­chmittag fanden sich Angehörige des Opfers, nämlich die Mutter – die Frau hat sieben Kinder auf die Welt gebracht – sowie zwei Onkel und ein Bruder in der Kanzlei ihres Anwalts Nikolaus Rast ein. Sie zeigten sich den Medienvert­retern, sagten aber nichts und ließen via Anwalt ausrichten, dass sie zutiefst betroffen seien, in nächster Zeit aber keine Medienkont­akte wünschten.

Rast appelliert­e an die Stadt Wien, der Familie eine neue Wohnung zu beschaffen, „damit sie nicht täglich an den Ort des Grauens erinnert wird“.

Indessen wurde die Familie des Täters, die Eltern und ein 14-jähriger Bruder, aus dem Gemeindeba­u weggebrach­t. In Ermittlerk­reisen wird nicht ausgeschlo­ssen, dass Vergeltung­saktionen versucht werden könnten.

Der Täter muss mit einer Anklage wegen Mordes rechnen. Da er jugendlich ist, droht ihm keine lebenslang­e Haft. Er muss mit bis zu 15 Jahren Gefängnis rechnen.

 ?? [ APA/Hochmuth] ?? Die Mutter und der Bruder des Opfers sowie ihr Anwalt Nikolaus Rast traten am Dienstag vor die Kameras.
[ APA/Hochmuth] Die Mutter und der Bruder des Opfers sowie ihr Anwalt Nikolaus Rast traten am Dienstag vor die Kameras.

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