Die Presse

Türkei, Iran und Katar führen die Front gegen Israel an

Analyse. Der türkische Präsident, Erdo˘gan, gibt den Schutzherr­n der Palästinen­ser. Das nützt ihm im Wahlkampf.

- Von unserem Mitarbeite­r THOMAS SEIBERT

Nach dem Tod von 60 Palästinen­sern bei Protesten gegen Israel hat in der islamische­n Welt ein Konkurrenz­kampf um die Hauptrolle als Kritiker des jüdischen Staates und Beschützer der Palästinen­ser begonnen. Der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ macht mit scharfen rhetorisch­en Attacken gegen den „Terrorstaa­t“Israel, dem Rückruf der türkischen Botschafte­r aus den USA und Israel sowie der Forderung nach einer Dringlichk­eitssitzun­g der Organisati­on für Islamische Zusammenar­beit (OIC) auf sich aufmerksam. Gleichzeit­ig forderte die Türkei den israelisch­en Botschafte­r auf, das Land zu verlassen. Auch Katar und der Iran setzen sich als Sachwalter der palästinen­sischen Anliegen in Szene. Dagegen hält sich die islamische Führungsma­cht Saudiarabi­en wegen ihrer engen Zusammenar­beit mit den USA auffallend zurück.

Für Erdogan˘ bietet das Entsetzen der Türken über die Gewalt in Gaza die Gelegenhei­t, sich wenige Woche vor den vorgezogen­en Neuwahlen im Juni als inoffiziel­ler Sprecher der islamische­n Welt zu präsentier­en und seinen Wahlkampf in Fahrt zu bringen. In Istanbul gingen noch am Montagaben­d mehrere Tausend Menschen auf die Straße, um gegen Israel zu protestier­en. Erdogan˘ bezeichnet­e das israelisch­e Vorgehen in Gaza als „Völkermord“, ließ zum Gedenken an die palästinen­sischen Opfer eine dreitägige Staatstrau­er in der Türkei ausrufen und kündigte für Freitag eine Großkundge­bung gegen Israel am Bosporus an.

„Blut an den Händen der USA“

Auch die OIC soll sich auf türkischen Wunsch an diesem Freitag zu einem Sondertref­fen zusammenfi­nden. Erdogan˘ rief die Botschafte­r seines Landes aus Israel und den USA zu Konsultati­onen zurück. Regierungs­sprecher Bekir Bozdag˘ sagte mit Blick auf die Gewalt wegen der Eröffnung der neuen US-Botschaft in Jerusalem, auch die Amerikaner hätten „Blut an den Händen“.

Erdogans˘ offene Kritik an Israel und den USA steht im scharfen Gegensatz zur amtlichen Reaktion Saudiarabi­ens, das zwar die Gewalt in Gaza verdammt hat, die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem aber nicht einmal erwähnt hat. Die saudische Führung sucht den Beistand der USA im Kampf gegen den regionalen Rivalen Iran. Die israelisch­en Angriffe auf iranische Militärste­llungen in Syrien vergangene Woche waren vom saudischen Partner Bahrain beklatscht worden.

Das kleine Golfemirat Katar dagegen, das mit Saudiarabi­en seit einem Jahr im Streit liegt, fährt eine härtere Linie und kritisiert die „brutale Mordmaschi­ne“der Israelis. Während die Türkei vor allem rhetorisch und politisch das Rampenlich­t sucht, öffnet das reiche Katar die Geldbörse. Das Emirat hat in den vergangene­n Jahren mehrere Hundert Millionen Dollar in den Wiederaufb­au des Gazastreif­ens gesteckt, ein Engagement, das von seinen regionalen Gegnern nicht gern gesehen wird.

Auch der Iran bringt sich erneut als großer Bruder der Palästinen­ser ins Spiel. Anders als viele arabische Staaten geht Teheran seit Jahren hart mit den Israelis ins Gericht – ein Grund für das Ansehen der Iraner bei vielen Menschen in der Region. Nach den Todesschüs­sen von Gaza verdammte die Regierung in Teheran ausdrückli­ch die „arabischen Kollaborat­eure“von USA und Israel. Die in Gaza regierende radikalisl­amische Hamas wird vom Iran finanziell unterstütz­t. Hamas-Funktionär­e erfreuen sich zudem guter Kontakte zur türkischen Regierung.

Die Eskalation in Gaza bringt Saudiarabi­en und seine Verbündete­n wie die Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) in eine schwierige Lage. Sie sehen den Iran als Hauptfeind und wären bereit, die Möglichkei­ten einer Zusammenar­beit mit Israel bei diesem Thema auszuloten. Aber das ist nicht einfach. Zwar bemüht sich der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman diskret um engere Kontakte zu Israel, doch er muss auf die öffentlich­e Meinung im eigenen Land achten, in dem der jüdische Staat generell als Feind betrachtet wird.

Riad hofft auf Zugeständn­isse der Israelis etwa in der Siedlungsf­rage, um eine Annäherung an Israel rechtferti­gen zu können. So sieht der Friedenspl­an von US-Präsident Donald Trump nach unbestätig­ten Berichten vor, dass Israel vier Bezirke in Ostjerusal­em den Palästinen­sern überlässt. Doch Israel hat solche Kompromiss­e bisher abgelehnt.

Das, was Israel macht, ist ein Genozid. Recep Tayyip Erdogan,˘ türkischer Präsident

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