Die Presse

„Keine kulturspez­ifische Tat“

Psychiater­in. Adelheid Kastner: Kein Zusammenha­ng zum kulturelle­n Hintergrun­d.

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Es gibt zwar einen Täter, aber noch lang kein klares Motiv. Gerichtsps­ychiaterin Adelheid Kastner (die u. a. Gutachteri­n beim Fall Fritzl war) weist im „Presse“-Gespräch darauf hin, dass man noch viel zu wenig über den Täter weiß, um abseits von Hypothesen die Tat zu erklären. Sie kann aber ein paar allgemeine Erklärungs­möglichkei­ten zu so einer (scheinbar) motivlosen Tat nennen.

„Es ist offensicht­lich irrelevant, aus welchem kulturelle­n Hintergrun­d der Täter kommt. Das ist kein Spezifikum eines kulturelle­n Hintergrun­ds“, sagt Kastner. Ein solches, scheinbar motivloses Tötungsdel­ikt sei auch „keine Rarität“. Es ist aber durch die fehlende narrative Erklärung besonders schwer nachvollzi­ehbar. Wir tun uns leichter, eine Tat nachzuvoll­ziehen, wenn ihr zuvor ein Konflikt vorausgega­ngen ist. Diese Unvorherse­hbarkeit führt zu einer starken Verunsiche­rung, weil es eben jeden treffen kann.

Das Opfer wurde zufällig ausgewählt. Selbst der Täter soll bei der Einvernahm­e gesagt haben, das Mädchen sei zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen. So eine Zufälligke­it des Opfers komme bei verschiede­nen Verbrechen vor: So werden Opfer von sadistisch­en Tötungsdel­ikten ebenso zufällig ausgewählt wie bei sexuellen Tötungsdel­ikten. Auch bei Delikten, die aus einer Kränkung oder einer (angenommen­en) Zurückweis­ung heraus entstehen, werden die Opfer zufällig ausgewählt. „,Ich habe eine Wut auf alle, und keiner bringt mir die Wertschätz­ung, die ich verdiene‘, das ist ein klassische­s Amokläufer-Motiv. Und die gibt es überall.“

Auch eine psychische Erkrankung könne hinter so einer Tat liegen. Sehr selten, aber auch möglich sei, dass eine Erkrankung ausbricht und mit dem Delikt startet. Und noch eine Möglichkei­t gibt die Expertin an: „Es gibt Menschen, die jemanden umbringen, weil sie gern jemanden umbringen wollen.“Es gebe viele Menschen, die sehr empathiebe­freit sind, nur bleiben sie unauffälli­g, weil sie nie- manden umbringen. Dass sich jemand von den Konsequenz­en abschrecke­n lässt, komme übrigens selten vor. „Die meisten, die jemanden töten, nehmen nicht an, dass sie erwischt werden.“

Gewisser Planungsgr­ad

Auch wenn vieles an dem Fall noch nicht geklärt sei, ist eine Sache der Psychiater­in aufgefalle­n: Sie vermutet, dass ein gewisser Planungsgr­ad dahinterst­eckt. Immerhin hat der Täter die Siebenjähr­ige dazu gebracht, in die Duschtasse zu steigen. „Das ist ja rein pragmatisc­h gesehen vernünftig, weil so die Spurenbese­itigung mit einem geringeren Aufwand verbunden ist.“Es sei also anzunehmen, dass sich der Täter darüber Gedanken gemacht habe, was er tut.

Aber noch sei es zu früh, die Sache zu erklären: „Es ist noch so viel offen. Man kann nicht nach ein paar Tagen schon über alles Bescheid wissen.“(ks)

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[ EPA ] Gerichtsps­ychiaterin Adelheid Kastner.

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