Ein Trostpreis mit Haltung
Interview. Morgen, Donnerstag, bekommt Ex-Kunsthallen-Direktor Gerald Matt das Goldene Verdienstzeichen Wiens. Die Rede hält (wieder) Michael Köhlmeier.
Es sind manchmal die kleinen Momente im Leben, die Genugtuung verheißen. Ein kleines Lächeln erzählt davon, das Gerald Matt auf den Lippen trägt bei der Antwort auf die Frage, ob er das Goldene Verdienstzeichen der Stadt Wien nicht lieber schon von der neuen Kulturstadträtin, Veronica Kaup-Hasler, entgegengenommen hätte. Nein, der scheidende Kulturstadtrat, Andreas Mailath-Pokorny, passe schon, das sei doch eine schöne Geste, so Matt. Die Ehrung morgen sollte man sich jedenfalls nicht entgehen lassen. Treffen hier schließlich zwei Protagonisten zusammen, die sich alles andere als immer grün waren.
Grün war vor allem die Kulturpolitik (von Ex-Grünen-Abgeordnetem Wolfgang Zinggl), die den langjährigen Kunsthalle-Wien-Direktor Gerald Matt 2012 zum Rücktritt bewogen hatte – nach einer scharfen Kampagne gegen ihn, deren juristisch relevante Vorwürfe der Oberste Gerichtshof erst nach Jahren, 2015, für haltlos erklärte. Matts Verhältnis zum damals zuständigen SP-Kulturstadtrat, Mailath-Pokorny, war mehr als getrübt, der „weder für Mut noch für Entscheidungsstärke bekannte“Politiker habe ihn „im Regen stehen lassen“, schrieb Matt 2014 in einer seiner Kunst-Kolumnen in der Gratiszeitung „Heute“, die anlässlich der morgigen Ehrung gerade vom „Kurier“genüsslich ausgegraben wurde.
„Natürlich habe ich die Kulturpolitik immer wieder kritisiert“, meint Matt bei einer Melange im Vorfeld der Ehrung. „Punktuell, etwa die Aufstockung des Winterthur-Gebäudes neben dem Wien-Museum oder die De- montage von Lawrence Weiners Schriftzug am Haus des Meeres. Vor allem aber die unzähligen Arrangements mit einer grünen Verbots- und Bevormundungspolitik.“Diese Kritik habe aber immer auf gegenseitigem Respekt beruht, betont er. Kritik und Politik gehöre nun einmal zusammen.
Im Zorn blicke er aber nicht mehr zurück. Auch wenn es, gibt er zu, gedauert habe, die Kränkung zu verdauen. „Der Angriff war schon sehr persönlich. Im Nachhinein sehe ich ihn aber als Teil einer allgemeinen Tendenz, die ich für gefährlich und schädlich halte: Eine Kulturpolitik, die auf Konformität ausgerichtet ist und alles, was abweicht, was exzentrisch, vielleicht sogar egozentrisch ist, infrage stellt. Das sind schließlich alles Eigenschaften, die kunstimmanent sind. Es ist also ein Generalangriff auf das, was Kunst ausmacht, eine Offensive der Biedermeier und Brandstifter.“
Rückblickend sei sein Rücktritt für ihn aber die Chance gewesen, sagt Matt, sein Leben neu zu entdecken und zu erfinden. Dafür sieht er allerdings noch recht vertraut aus – immer noch die vielen Ringe an den Fingern, immer noch auffällig elegant gekleidet, immer noch Dandy und „Direktor“sogar, wie in der Kunsthalle von zwei „Hallen“, wie man dem Internet-
*(1958, Vorarlberg) war 1996 bis 2012 Direktor der Kunsthalle Wien. Er trat nach Vorwürfen der Grünen zurück, die der OGH 2015 für nicht haltbar erklärte. Heute ist er Direktor des „Vienna Art Institut“, kuratiert Ausstellungen, unterrichtet an der Angewandten und hat einen TV-Talk auf W24. auftritt des Art Institute Vienna entnehmen kann, das Matt 2015 mit Waltraud Orthner und Jürgen Weishäupl gründete. Hauptsponsor (Präsident ist No-Bite-Produzent Patrick Lundwall) ist ein Mäzen, der nicht genannt werden möchte und auch nicht aus Österreich stamme, so Matt. Die „Hallen“seien dennoch eher ironisch gemeint, die Büroräumlichkeiten im Herrengassen-Hochhaus sehr überschaubar. Hier werden auch die Fernseh-Doppelconferencen aufgezeichnet, die Matt für den TV-Sender W24 dreht (zuletzt war Paulus Manker zu Gast). Sonst kuratiert er eifrig vor allem die Künstler, die er schon in der Kunsthalle gern gezeigt hat: Shirin Neshat (im Kunstraum Dornbach gerade), Spencer Tunick (in Palermo) oder demnächst eine Fotografie-Schau von Lisette Model, Diane Arbus und Nan Goldin im Wiener Westlicht (die danach ins Museum der bildenden Künste in Leipzig wandert).
Gern würde Matt einmal ein Museum, ein Haus mit eigener Sammlung, leiten. Für Roms Moderne-Nationalgalerie habe er sich einmal beworben, und obwohl erstgereiht, habe man sich dann für den drittgereihten Italiener entschieden, so Matt. Verbittert? Nein. Er mag sein jetziges Leben, die Möglichkeit, ein bisschen Flaneur zu sein. Offen Kritik üben zu können in seiner publizistischen Tätigkeit („Heute“, „Thema Vorarlberg“). Matts Laudatio wird übrigens jemand halten, der ebenfalls nicht dafür bekannt ist, mit seiner Kritik vor betroffenen Anwesenden hinterm Berg zu halten, Michael Köhlmeier. Nein, man sollte diese ehrende Geste oder gestische Ehrung wirklich nicht verpassen.