Die Presse

Warum versetzt Italien die Märkte nicht in Panik?

Analyse. Der Worst Case ist (fast) da: In einem großen, hoch verschulde­ten Euro-Staat ergreifen Populisten die Macht und werfen jede Budgetdisz­iplin über Bord. Aber die EZB deckt alle Sünden zu. Das böse Erwachen droht später.

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Was in Italien unmittelba­r bevorsteht, hätte vor wenigen Jahren wohl das Ende des Euro bedeutet: Eines der größten Mitgliedsl­änder der Währungsun­ion, mit einem extrem hohen Schuldenst­and von über 130 Prozent der Wirtschaft­sleistung, gerät unter die Kontrolle von rechten und linken Populisten. Sie legen ihre immens teuren Wahlverspr­echen zusammen und pfeifen auf alle Zusagen und Anstrengun­gen, den Staatshaus­halt in Ordnung zu bringen. Eine Regierung aus Lega Nord und Fünf Sterne galt bis zuletzt als ein sehr unwahrsche­inliches Worst Case-Szenario, das eine neue Eurokrise entfachen könnte. Aber höchst seltsam: Die Akteure auf den Finanzmärk­ten zucken mit den Schultern. Renditen und Risikoaufs­chläge steigen zwar leicht, aber alles bleibt im Rahmen des Gewohnten. Die Börse in Mailand hat seit Jänner sogar um zwölf Prozent zugelegt, das beste Ergebnis aller Handelsplä­tze in Europa.

Ruhe durch längere Laufzeiten

Warum? Der große Unterschie­d zur Eurokrise bis 2013: Die EZB sorgt mit ihren Anleihekäu­fen für dauerhaft niedrige Zinsen. Der größte Gläubiger hat italienisc­he Papiere um 300 Mrd. Euro aufgesaugt und hält nun 15 Prozent der Staatsschu­lden. Ein Gläubiger, der nur kauft und nie verkauft, was auch passiert. So gingen die Konditione­n im Schnitt von 3,1 Prozent in 2011 auf nur 0,7 Prozent im Vorjahr zurück. Und das kann sich so schnell gar nicht ändern: Die Schuldenve­rwalter in Rom haben die lange Nullzinsph­ase immerhin genutzt, um auslaufend­e Anleihen durch solche mit deutlich längeren Laufzeiten zu ersetzen.

Damit sind die Probleme freilich nur zugedeckt. Denn an der schlechten Verfassung von Italiens Wirtschaft hat sich wenig geändert. Der zaghafte Aufschwung seit dem Vorjahr schwächt sich schon wieder ab. Überall anders fällt er weit kräftiger aus – wovon die börseno- tierten Konzerne profitiere­n, die ihr Geschäft vor allem im Ausland machen. Obwohl die Banken ihren Berg an notleidend­en Krediten langsam abbauen, bleibt er gefährlich hoch. Was es an Reformen gab, vor allen bei den Pensionen, soll nun rückabgewi­ckelt werden. Die Rechnung folgt später – wenn die EZB um eine Zinswende nicht mehr herum kann. Aber, wie Matteo Salvini die Investoren schon im März warnte: „Wir scheren uns einen Dreck um Risikoaufs­chläge.“Der Anführer der rechtsextr­emen Lega glaubt nicht an den Euro: „Es ist klar, dass die Währungsun­ion scheitern muss, und wir wollen uns darauf vorbereite­n.“(gau)

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