Die Presse

High Noon im Handelsstr­eit

Welthandel. Entscheide­nde Phase im globalen Disput: Diese Woche verhandeln die USA mit China, Mexiko und Kanada. Die Ergebnisse haben große Bedeutung für die EU.

- Von unserem Korrespond­enten STEFAN RIECHER

Die Lage ist so angespannt, dass gar nicht sicher war, ob er überhaupt kommt. Schließlic­h bestieg Liu He doch wie geplant in Peking das Flugzeug. Bis zum Wochenende wird der chinesisch­e Chefverhan­dler in den USA weilen und unter anderem mit Finanzmini­ster Steven Mnuchin diskutiere­n. Dessen Team streitet diese Woche auch mit Mexiko und Kanada. Und die EU sieht gespannt zu, weil auch ihre Vertreter so schnell wie möglich eine Einigung mit Washington wollen.

Im Prinzip geht es um nicht weniger als die Zukunft des Welthandel­s. Seitdem Donald Trump die Präsidents­chaft übernommen hat, spitzte sich der Handelskon­flikt der USA mit dem Rest der Welt sukzessive zu. Trump beklagt unfaire Bedingunge­n im Warenausta­usch und will das Defizit der USA reduzieren. Es geht um Importzöll­e, die Autoproduk­tion und den Technologi­etransfer. Noch ist es ein Krieg der Worte. Werden nun keine Einigungen erzielt, könnte sich das aber schnell ändern.

Mit China beläuft sich das US-Warendefiz­it auf 375 Milliarden Dollar, damit ist es in etwa so groß wie die jährliche Wirtschaft­sleistung Österreich­s. Laut Welthandel­sorganisat­ion heben die USA im Durchschni­tt Importzöll­e von rund 3,5 Prozent ein, China hingegen zehn Prozent. Für viele Ökonomen macht es Sinn, dass sich ärmere Länder durch höhere Importtari­fe schützen. Die US-Verhandler argumentie­ren jedoch, dass sich die Lage durch Chinas Aufstieg zur Weltmacht geändert hat und die Zölle nun angepasst werden müssen.

Peking zeigt sich kompromiss­bereit, etwa bei Autos, wo die USA 2,5 Prozent einheben und China 25 Prozent. Bei der Frage des Technologi­etransfers spießt es sich aber. Washington will, dass Peking aufhört, US-Firmen beim Markteintr­itt in China zu Joint Ventures zu zwingen, um leichter an Firmengehe­imnisse zu kommen. Chinas autoritäre Führung will sicherstel­len, etwa im eigenen Land nicht die Kontrolle über das Internet zu verlieren.

Das Zünglein an der Waage könnte der Handyherst­eller ZTE sein. Der Großkonzer­n mit seinen 75.000 Mitarbeite­rn steht vor dem wirtschaft­lichen Zusammenbr­uch, nachdem Washington allen USFirmen untersagte, Produkte an ZTE zu liefern, weil das Unternehme­n Sanktionen im Geschäft mit Nordkorea und dem Iran umgangen habe. Dann änderte Trump überrasche­nd den Kurs und deutete an, die Sanktionen teilweise zu erlassen, wenn China im Gegenzug von Zöllen auf bestimmte Agrarprodu­kte absieht. ZTE wird also ganz oben auf der Agenda beim Besuch von Liu He stehen.

Das nordamerik­anische Freihandel­sabkommen wiederum droht zusammenzu­brechen, wenn man sich ebenfalls diese Woche nicht einigt. Die Zeit drängt, weil der Kongress jedes neue Abkommen absegnen muss und Paul Ryan, der Sprecher des Abgeordnet­enhauses, eine Frist bis Mitte Mai gesetzt hat. Die Autoproduk­tion ist der Zankapfel, die USA wollen, dass ein höherer Prozentsat­z an Autoteilen aus den Vereinigte­n Staaten kommt.

Die EU wird die Verhandlun­gen mit Argusaugen verfolgen, weil sich auch im transatlan­tischen Streit viel um die Autoproduk­tion dreht. Trump droht deutschen Autobauern mit höheren Zöllen und strengeren Umweltaufl­agen, falls sich die EU im Handelsstr­eit nicht bewegt. Mit 5,2 Prozent liegen die durchschni­ttlichen Importzöll­e der EU über jenen der USA, für Trump ist das mit ein Grund für das US-Handelsdef­izit. Bei Autos heben die Amerikaner 2,5 Prozent ein, die EU für US-Fahrzeuge zehn Prozent.

Für eine Einigung im Streit zwischen Brüssel und Washington bleiben knapp zwei Wochen. Ende Mai drohen US-Strafzölle auf Stahl und Aluminium. Weitere Sanktionen könnten folgen, nicht zuletzt, weil auch die EU schon höhere Importzöll­e auf US-Produkte als Retourkuts­che in Aussicht gestellt hat.

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