Die Presse

Kritik an Özil und Gündo˘gan hat etwas Scheinheil­iges an sich

Es war nicht klug, sich für Erdo˘gans Wahlkampf einspannen zu lassen. Doch auch deutsche Politiker verhandeln mit dem Präsidente­n der Türkei.

- VON WIELAND SCHNEIDER E-Mails an: wieland.schneider@diepresse.com

Recep Tayyip Erdogan˘ ist ein blendender Populist. Der türkische Präsident weiß, wie man bei Reden die Stimmung der Anhänger so richtig aufheizt. Er wälzt Verschwöru­ngstheorie­n über sinistre Bündnisse, die die angebliche­n Feinde der Türkei eingegange­n seien. Er polemisier­t gegen die politische Opposition, setzt dabei immer wieder seine eigenen Gegner mit Gegnern des Staates gleich. Und er zieht gegen Politiker der EU-Länder vom Leder – ganz nach dem Motto: Wir Türken sind jetzt auch stark und wir lassen uns von den Europäern nichts mehr vorschreib­en.

Erdogan˘ weiß auch, sich mit positiven Botschafte­n zu inszeniere­n. Etwa wenn er Großprojek­te eröffnet. Oder wenn er seinen Anhängern das Gefühl gibt, dass sie wichtig sind und etwas Großes geleistet haben.

Teil dieser Inszenieru­ng sind nun zwei türkeistäm­mige Spieler der deutschen Fußballnat­ionalmanns­chaft geworden. Und das sorgt in Deutschlan­d für helle Aufregung. Mesut Özil und Ilkay Gündogan˘ haben sich in einem Londoner Hotel mit Erdogan˘ getroffen und ihm Trikots ihrer jeweiligen Vereinsman­nschaft geschenkt. Gündogan˘ hat sogar auf sein Trikot „Mit Respekt für meinen Präsidente­n“geschriebe­n.

Es war alles andere als klug von Özil und Gündogan,˘ sich von Erdogan˘ für dessen Wahlkampf einspannen zu lassen. Der türkische Präsident ist verantwort­lich für das brutale Niederschl­agen eines Aufstandes in kurdischen Städten im Osten des Landes. Er hat seine Truppen in das nordsyrisc­he Afrin einmarschi­eren lassen. Un- ter seiner Herrschaft wurden zahllose Journalist­en, Opposition­spolitiker und andere unliebsame Personen unter fadenschei­nigen Vorwürfen verhaftet. Die Türkei entfernt sich immer weiter von demokratis­chen und rechtsstaa­tlichen Standards.

Zugleich hat die Kritik, die jetzt in Deutschlan­d an Özil und Gündogan˘ aufflammt, aber etwas sehr Scheinheil­iges an sich. Die beiden Fußballer werden dafür gescholten, „einen Despoten“hofiert zu haben. Die Armee desselben Despoten erhielt jedoch bis zuletzt Waffen und Material aus deutschen Rüstungsfi­rmen. Und mit dem Despoten werden politsche Verhandlun­gen geführt.

Gündogans˘ Widmung „Mit Respekt für meinen Präsidente­n“geht sicher einen Schritt weiter. Noch dazu, da er für Deutschlan­ds Nationalma­nnschaft spielt. Anderersei­ts hat Gündogan˘ sowohl die deutsche als auch die türkische Staatsbürg­erschaft. Damit ist neben dem Deutschen Frank Walter-Steinmeier auch Erdogan˘ de iure der Präsident Gündogans.˘

Erdogan˘ ist nach wie vor das internatio­nal anerkannte Staatsober­haupt der Türkei – ob einem das nun gefallen mag oder nicht. Und als solches wird er von den USA, Russland, den EU-Staaten und allen anderen Ländern behandelt. Auch von der deutschen Bundeskanz­lerin Angela Merkel.

Über die politische­n Vorlieben von Spielern wie Gündogan˘ kann man natürlich streiten. Aber das ist bei Fußballern eigentlich weitgehend Privatsach­e. Sie sind keine Politiker. Deshalb sollten sie sich besser auch nicht für Politik missbrauch­en lassen – schon gar nicht von Populisten wie Erdogan.˘

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[ Reuters ] Ein Foto und unendlich viel Gesprächss­toff: Gündogan˘ mit Erdogan.˘

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