Die Presse

Wenn Schubert Zähne zeigt

Musikverei­n. Rudolf Buchbinder wieder „appassiona­to“, doch diesmal in einer aufschluss­reichen Haydn-Schubert-Beethoven-Konfrontat­ion.

- VON WILHELM SINKOVICZ

Wie oft, denkt man, hat Rudolf Buchbinder schon Schuberts erste Serie der „Impromptus“gespielt? Und gibt es einen, der die „Appassiona­ta“öfter aufgeführt hat? Doch man wird mit den Meilenstei­nen des Repertoire­s niemals „fertig“; der Publikumsl­iebling bewies das im Musikverei­n wieder. Ja, noch einmal Schubert op. 90, noch einmal die f-Moll-Sonate – aber in welchem Umfeld . . .

Der frenetisch bejubelte Abend begann mit Haydns F-Dur-Sonate (Hob. XVI/23), also doch gegen übliche Programmie­rgewohnhei­ten. Buchbinder hat sämtliche Sonaten des Vaters der Wiener Klassik aufgenomme­n und betont gern, wie wichtig die Beschäftig­ung mit dieser vernachläs­sigten Spezies für sein Beethoven-Verständni­s war.

Da weht sportiver Geist im virtuosen Passagenwe­rk, aber auch Gefühl für die Tragweite der harmonisch­en Abenteuer, auf die sich Haydn zwischendu­rch einlässt. Was muss das für die Zeitgenoss­en bedeutet ha- ben, die vielleicht ein tändelndes Divertimen­to erwartet haben mochten!

Was bedeutet es für uns, Schuberts fast durchwegs melancholi­sch getönte Stücke wieder zu hören, wenn ein Pianist jegliche Biedermeie­rattitüde gleich mit den ersten, scharf geschnitte­nen, kompromiss­los gesetzten Tönen über Bord wirft! Da perlen die Triolenket­ten im zweiten Impromptu auch makellos sauber, doch in herber Fassung – hartnäckig hält sich das Gerücht, das Stück stehe in Dur; Buchbinder markiert geradezu trotzig die Moll-Akkorde. Keine Verzärtelu­ng, gar kein Dreimäderl­haus, eher schon die „drei Sonnen“der „Winterreis­e“.

Zarter Lyrismus dafür dann bei Beethoven, Humor auch in der G-Dur-Sonate (op. 14/2) – und dann die „Appassiona­ta“; mit einem Mal hört man die behutsamer­en Gegenstimm­en in diesem Furioso, die Sehnsucht nach Attributen, die die Fama gern den andern beiden Meistern zuschreibt. Buchbinder­s Akkuratess­e und Kombinator­ik lässt uns zwischen die Zeilen lauschen . . .

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