Wenn Schubert Zähne zeigt
Musikverein. Rudolf Buchbinder wieder „appassionato“, doch diesmal in einer aufschlussreichen Haydn-Schubert-Beethoven-Konfrontation.
Wie oft, denkt man, hat Rudolf Buchbinder schon Schuberts erste Serie der „Impromptus“gespielt? Und gibt es einen, der die „Appassionata“öfter aufgeführt hat? Doch man wird mit den Meilensteinen des Repertoires niemals „fertig“; der Publikumsliebling bewies das im Musikverein wieder. Ja, noch einmal Schubert op. 90, noch einmal die f-Moll-Sonate – aber in welchem Umfeld . . .
Der frenetisch bejubelte Abend begann mit Haydns F-Dur-Sonate (Hob. XVI/23), also doch gegen übliche Programmiergewohnheiten. Buchbinder hat sämtliche Sonaten des Vaters der Wiener Klassik aufgenommen und betont gern, wie wichtig die Beschäftigung mit dieser vernachlässigten Spezies für sein Beethoven-Verständnis war.
Da weht sportiver Geist im virtuosen Passagenwerk, aber auch Gefühl für die Tragweite der harmonischen Abenteuer, auf die sich Haydn zwischendurch einlässt. Was muss das für die Zeitgenossen bedeutet ha- ben, die vielleicht ein tändelndes Divertimento erwartet haben mochten!
Was bedeutet es für uns, Schuberts fast durchwegs melancholisch getönte Stücke wieder zu hören, wenn ein Pianist jegliche Biedermeierattitüde gleich mit den ersten, scharf geschnittenen, kompromisslos gesetzten Tönen über Bord wirft! Da perlen die Triolenketten im zweiten Impromptu auch makellos sauber, doch in herber Fassung – hartnäckig hält sich das Gerücht, das Stück stehe in Dur; Buchbinder markiert geradezu trotzig die Moll-Akkorde. Keine Verzärtelung, gar kein Dreimäderlhaus, eher schon die „drei Sonnen“der „Winterreise“.
Zarter Lyrismus dafür dann bei Beethoven, Humor auch in der G-Dur-Sonate (op. 14/2) – und dann die „Appassionata“; mit einem Mal hört man die behutsameren Gegenstimmen in diesem Furioso, die Sehnsucht nach Attributen, die die Fama gern den andern beiden Meistern zuschreibt. Buchbinders Akkuratesse und Kombinatorik lässt uns zwischen die Zeilen lauschen . . .