Prinzessin und Schreiner
Fattaneh Haj Seyed Javadi erzählt von einer nicht standesgemäßen Heirat, die in einer Katastrophe endet.
„Kleine Dame“, sagt der Schreiner zum Upperclass-Mädchen, und schon ist es um die kleine Lady geschehen, und sie weiß, dieser Bursch mit den schönen Zähnen und dem schelmischen Lächeln „gehört in einen königlichen Palast“. Teheran, Anfang der 1930er-Jahre. Mahbube (15) schlägt zwei erstklassige Partien aus und heiratet einen Handwerker. Wie die persische Märchenerzählerin Scheherazade berichtet sie als alte Frau ihrer Nichte von ihrem Schicksal.
„Der Morgen der Trunkenheit“heißt dieses Buch von Fattaneh Haj Seyed Javadi. Stilistisch ist es kein Juwel, auch die konservative Schlagseite wurde kritisiert. Ein Hauch von „Recht g’schieht ihr“durchzieht den Bestseller (1995). Aber er erzählt auch viel vom persischen Lebensstil, an dem sich bis heute wohl nicht so viel geändert hat: Die Achtung vor dem Alter spielt eine große Rolle, Mahbube muss sich der Mutter des Schreiners beugen, die sie quält. Ihre eigene Familie geht auf Distanz zu der jungen Frau – sie muss, sonst wird sie selbst aus der guten Gesellschaft ausgestoßen. Diese Geschichte könnte sich unter anderen Vorzeichen auch anderswo, im Westen oder in Amerika ereignen: Rat mal, wer zum Essen kommt!
Javadis Roman, der 2002 beim Suhrkamp-Verlag herausgekommen ist, enthält ein ausführliches Glossar: von Abgusht (Eintopf ) bis Yazd (bekannt u. a. als Stadt der ZarathustraReligion, auf die sich Iraner gern berufen, um sich vom militanten Islam abzugrenzen). Das Buch wirkt für westliche Vorstellungen melodramatisch, doch starke Emotion gehört zu den Geschichten des Orients.
Fattaneh Haj Seyed Javadi, heute 73, mit der es kaum Interviews gibt, hat Literatur in Teheran und Isfahan studiert. Sie ist verheiratet, hat zwei Töchter und war viele Jahre Lehrerin. Erzählungen von ihr unter dem Titel „In der Abgeschiedenheit des Schlafes“wurden ebenfalls ein Bestseller. Javadi hat jüngere Autorinnen, die im Iran leben und etwas über die Realitäten im Land abseits von westlichen Vorstellungen schreiben wollen, beeinflusst. (bp)