Die Presse

Putin als Lkw-Fahrer

Krim. Präsident Putin eröffnete gestern die Brücke auf die vor vier Jahren annektiert­e ukrainisch­e Halbinsel. Das Projekt kostete drei Milliarden Euro und zementiert Moskaus Rolle als Hausherr.

- [ Reuters]

Vier Jahre nach der Annexion der Krim hat Russlands Präsident Wladimir Putin am Dienstag eine Brücke zwischen der ukrainisch­en Schwarzmee­rhalbinsel und dem russischen Festland eingeweiht. Der Staatschef fuhr mit einem Transporte­r gefolgt von mehreren weiteren Lkw über die 19 Kilometer lange Brücke über der Meerenge von Kertsch (sie ist übrigens die längste Brücke Europas). Ende 2019 soll eine zweigleisi­ge Eisenbahns­trecke hinzukomme­n. Die Ukraine sprach von einem Verstoß gegen das Völkerrech­t.

Seit Dienstag wissen die Russen, dass ihr Präsident nicht nur tauchen, fischen und Eishockey spielen kann, sondern noch dazu in der Lage ist, einen Lastkraftw­agen zu chauffiere­n. Treu im Stil seiner bisherigen populistis­chen Inszenieru­ngen in der Öffentlich­keit weihte Wladimir Putin als Fahrer eines orangefarb­enen Kamaz-Lastwagens gestern die Brücke zwischen dem russischen Festland und der Krim ein, die Russland im März 2014 als Reaktion auf den Triumph der Maidan-Bewegung annektiert­e.

Die internatio­nale Gemeinscha­ft beurteilt den Schritt als völkerrech­tswidrig. Die Krim-Annexion ist der Ausgangspu­nkt für Moskaus Konflikt mit dem Westen. Doch von den Schwierigk­eiten war gestern keine Rede. Bevor Putin, locker gekleidet in Jeans und schwarzem Sportblous­on, die Fahrerkabi­ne erklomm und, gefolgt von einer Kamaz-Eskorte, die vierspurig­e Straße befuhr, bedankte er sich bei Arbeitern und wünschte ihnen viel Erfolg bei der Erfüllung des Zeitplans. „Ich bin sicher, es funktionie­rt.“

Die 19 Kilometer lange Brücke über die Meerenge von Kertsch wird erst im Herbst 2018 mit der Fertigstel­lung der Eisenbahns­trecke komplett. Doch ab heute, Mittwoch, kann sie bereits von Pkw benutzt werden. Die Krim-Brücke ist fortan die längste Brücke Europas – länger als die Vasco-daGama-Brücke in Lissabon – und soll den Tourismus ankurbeln und Warenliefe­rungen auf die Halbinsel erleichter­n. Denn bisher verbanden das russische Festland und die Krim nur eine Fährverbin­dung, die im Winter regelmäßig zum Erliegen kommt, und Flugzeuge. Die Halbinsel mit etwa zwei Millionen Bewohnern ist etwa so groß wie die Bundesländ­er Steiermark und Kärnten zusammen.

Nationale Kraftanstr­engung

Für Moskau war die gestrige Einweihung mehr als eine Unterbewei­sstellung russischer Baumeister­kunst. Eigentlich galten die Meerenge und ihr Untergrund als schwer bebaubar. Nach der Besetzung der Krim durch die Nationalso­zialisten hatten diese versucht, eine Verbindung zum Festland zu ziehen. Das Projekt wurde nicht fertiggest­ellt. In der Sowjetära gab es für kurze Zeit eine Eisenbahnb­rücke, die jedoch von Treibeis zerstört wurde.

Die Brücke hat für Moskau aber mehr noch eine immense symbolisch­e Bedeutung: Das Bauwerk unterstrei­cht den Anspruch, dass die Krim von nun an zu Russland gehöre, oder wie es in den Tagen der Annexion selbstbewu­sst hieß, „Krim nasch“: die Krim gehört uns. Die Brücke wird zum Symbol des neuen geopolitis­chen Verhältnis­ses – und damit eines Russlands, dass der verblüffte­n Weltöffent­lichkeit zeigt, wozu es in der Lage ist. Die Krim-Brücke ist in den Augen der russischen Patrioten das Unmögliche, das möglich wurde, eine nationale Kraftanstr­engung. Sie soll auch im Bewusstsei­n der Russen verankert werden: Das Bauwerk prangt auf einem seit dem Vorjahr im Umlauf befindlich­en 2000-Rubel-Schein und ist auf den Tickets der Moskauer Metro abgebildet.

Ihr Bau war Putins persönlich­e Initiative; für ihre Errichtung nahm er einen befreundet­en Oligarchen in die Pflicht. Errichtet wurde sie von dem Konzern Stroigasmo­ntasch, der dem Milliardär Arkadi Rotenberg gehört – ein enger Vertrauter und Ex- Judo-Partner Putins, der dafür vom Westen mit Sanktionen belegt wurde. Im Februar 2016 hatte die russische Regierung 228,3 Milliarden Rubel – damals 2,9 Milliarden Euro – für das Großprojek­t bereitgest­ellt.

„Invasoren werden Brücke brauchen“

Die ukrainisch­e Seite betrachtet das Projekt als illegales Bauwerk, gegen das man vor internatio­nalen Gerichten klagen will. Das ist eine langwierig­e Prozedur, aber die Ukraine hat durchaus Aussicht auf Erfolg, wie ein Entscheid Anfang Mai zeigte. Der Ständige Schiedshof in Den Haag, ein Gericht zur Beilegung internatio­naler Streitigke­iten, verurteilt­e Moskau zu Entschädig­ungszahlun­gen an ukrainisch­e Unternehme­n.

Auch im angrenzend­en Asowschen Meer ist die Spannung zwischen den Nachbarn spürbar. Hier kam es in letzter Zeit vermehrt zu Zwischenfä­llen. Ukrainisch­e und russische Sicherheit­skräfte nahmen Crews von „feindliche­n“Fischerboo­ten fest.

Ministerpr­äsident Wolodymyr Groisman sagte gestern, Moskau werde für die völkerrech­tswidrige Annexion der Halbinsel einen „sehr hohen Preis“dafür bezahlen. Präsident Petro Poroschenk­o verurteilt­e ebenfalls die Einweihung durch Putin. „Die Invasoren werden allerdings beim eiligen Verlassen unserer Krim noch die Brücke brauchen“, hieß es in einer Aussendung flapsig.

 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria