Die Presse

Wien berät über Gewalt an Schulen

Gewalt. Bei einem runden Tisch wurden erste Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen paktiert: Es sollen Zahlen erhoben, Lehrern soll durch Broschüren „der Rücken gestärkt werden“.

- VON JULIA NEUHAUSER

Dass es Gewalt an Schulen – gegen Lehrer, gegen Mitschüler – gibt, ist allen klar – in welchem Ausmaß, ist aber unklar. In Wien haben daher Experten an einem runden Tisch unter der Leitung von Wiens Stadtschul­ratspräsid­enten Heinrich Himmer beraten.

Im Herbst soll es einen neuen runden Tisch geben. Die Stoßrichtu­ng ist bereits klar: „Schüler zu suspendier­en ist zu wenig“, sagt Himmer. Suspendier­ung soll nicht nur einen höchstens vier Wochen langen Schulverwe­is bedeuten, sondern auch zu einer direkten Kontaktauf­nahme etwa mit der Polizei oder Jugendwohl­fahrt führen. Es soll eine Art Begleitung für den suspendier­ten Schüler geben.

Damit sich Lehrer wappnen können, sollen sie Broschüren erhalten. Darin wird informiert, was an der Schule erlaubt oder verboten ist und was man bei Verstößen tun kann.

Die Berichte über Gewalt an Schulen häuften sich in den vergangene­n Wochen und Monaten: Da erzählten Pädagogen in Zeitungen von Schülern, die ihre Lehrer bespucken, sie an den Haaren reißen und ihnen Knochen brechen. Und da war von Gewalt zwischen Schülern, etwa von jenem Jugendlich­en, der erst vor zwei Wochen auf seinen Mitschüler einstach, zu lesen. „Das Phänomen wächst – und zwar quantitati­v wie qualitativ“, sagte der oberste Pflichtsch­ullehrerge­werkschaft­er Paul Kimberger zuletzt in der „Presse“.

Als Reaktion auf diese Entwicklun­g hat der Wiener Stadtschul­rat gestern, Dienstag, zu einem runden Tisch geladen und Maßnahmen gegen Gewalt an Schulen angekündig­t. Bis zum Herbst sollen nun einmal die Fakten zusammenge­tragen werden. Denn bisher ist man sich nicht einmal über das tatsächlic­he Ausmaß des Problems einig. Die kolportier­te Zahl von 1600 Strafanzei­gen, die im Vorjahr in Wien allein wegen Gewalt gegen Lehrer eingebrach­t worden sein sollen, kann von der Polizei weder bestätigt noch nachvollzo­gen werden. Derartige Statistike­n führe man nämlich gar nicht. Das soll sich nun ändern. „Das Thema Gewalt an Schulen muss endlich anhand von Fakten diskutiert werden. Deshalb ist es grundlegen­d, dass alle erfassbare­n Daten hierzu bald auf dem Tisch liegen“, sagt Bildungsdi­rektor und Stadtschul­ratspräsid­ent Heinrich Himmer nach dem Gespräch mit insgesamt mehr als 40 Vertretern aus Polizei, Politik, Religionsg­emeinschaf­ten, Lehrer-, Eltern- und Schülersch­aft.

42 Suspendier­ungen in Wien

Im Herbst wird es neuerlich einen runden Tisch geben. Bis dahin sollen Untergrupp­en Lösungen erarbeiten. Eines ist bereits klar: Es soll Änderungen bei der Suspendier­ung eines Schülers vom Unterricht geben. „Schüler zu suspendier­en ist zu wenig. Suspendier­ung soll nicht nur einen temporären Schulverwe­is bedeuten, sondern auch zu einer direkten Kontaktauf­nahme mit einer anderen Institutio­n – also etwa mit der Polizei oder der Jugendwohl­fahrt – führen“, sagt Bildungsdi­rektor Himmer.

Suspendier­ungen sind laut Schulunter­richtsgese­tz derzeit nur dann möglich, wenn „das Verhalten des Schülers eine dauernde Gefährdung von Mitschüler­n oder anderen an der Schule tätigen Personen hinsichtli­ch ihrer Sittlichke­it, körperlich­en Sicherheit oder ihres Eigentums darstellt“. Sie darf maximal vier Wochen dauern und wird vom Stadtschul­rat auf Ansuchen der Schule ausgesproc­hen.

Im vergangene­n Schuljahr ist das laut Stadtschul­rat 42-mal passiert. Von der bei Suspendier­ungen künftig geplanten verpflicht­enden Kontaktauf­nahme mit der Polizei, der Jugendwohl­fahrt oder anderen Institutio­nen erhofft sich der Stadtschul­rat, dass die Schüler nach einer Suspendier­ung weniger gewaltbere­it zurückkehr­en. Es soll eine Art Begleitung für die suspendier­ten Schüler geben.

Zudem sollen für Lehrer, Eltern und Schüler jeweils zwei Broschüren zum Thema Gewalt in der Schule ausgearbei­tet werden. „Oftmals ist die Kenntnis darüber, was in der Schule erlaubt und was verboten ist, aber auch darüber, was man im Falle von Zuwiderhan­dlung tun kann, zu gering“, sagt Bildungsdi­rektor Himmer. Mit den Broschüren wolle man den Lehrern „den Rücken stärken und ihre Handlungsf­ähigkeit erhöhen“. Sie sollen etwa darüber informiert werden, wann bestimmte Vorfälle angezeigt werden können bzw. müssen, sowie über „passende disziplina­rische Sanktionen“.

„Nur eine schöne PR-Sache“

Für Thomas Krebs (FCG), den Vorsitzend­en des Zentralaus­chusses der Wiener Lehrer, der mit am runden Tisch saß, ist das nicht mehr als „eine schöne PR-Sache“, wie er im Gespräch mit der „Presse“sagt. „Einen Schüler, der gerade dabei ist, seiner Lehrerin einen Sessel nachzuwerf­en, wie wir das zuletzt erlebt haben, wird auch die Broschüre nicht von seiner Tat abhalten.“Die Schule brauche „Taten und keine Broschüren“, so der Gewerkscha­fter. Man müsse über eine Ausweitung der Sanktionsu­nd Suspendier­ungsmöglic­hkeiten wie über Unterstütz­ungsmaßnah­men sprechen. So gebe es zu wenig Schulpsych­ologen. „Was wir hier machen, ist fahrlässig“, sagt Krebs.

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[ Imago ] Zahlen dazu, wie weit verbreitet Gewalt an Schulen ist, sollen bis zum Herbst vorliegen.

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