Die Presse

Warum Kim mit dem Aus droht

Korea. Drei Wochen nach Friedensgi­pfel mit Südkoreas Präsidente­n verschärft Diktator Kim Jong-un wieder den Ton. Pjöngjang sagt Konsultati­onen ab.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Drei Wochen nach Friedensgi­pfel mit Südkorea verschärft der nordkorean­ische Diktator, Kim Jong-un, wieder den Ton.

Machthaber Kim Jong-un bleibt sich treu: Er ist unberechen­bar. In der Nacht zum Mittwoch ließ der Diktator mit dem Platzen des für den 12. Juni in Singapur geplanten Gipfeltref­fens mit US-Präsident Donald Trump drohen. Ein Verzicht auf Atomwaffen sei ohnehin keine Option.

Nordkoreas Vizeaußenm­inister, Kim Kye-gwan, wird von der staatliche­n Nachrichte­nagentur KCNA mit den Worten zitiert: Wenn die US-Regierung „uns in die Enge treibt, haben wir kein Interesse mehr an Gesprächen“. Pjöngjang sei nicht bereit, der „einseitige­n“US-Forderung nach einer nordkorean­ischen Abkehr von Atomwaffen nachzugebe­n. „Wir haben unsere Bereitscha­ft zu einer atomwaffen­freien Koreanisch­en Halbinsel gezeigt, aber wiederholt erklärt, dass die USA als Vorbedingu­ng ihre feindselig­e Politik gegenüber Nordkorea und die atomare Bedrohung beenden müssen.“

Und dann drohte der Vizeminist­er, der für Kim Jong-un als Chefunterh­ändler für Abrüstung agiert: Nordkorea erwäge derzeit lediglich eine Teilnahme an dem geplanten Singapur-Gipfel. Das wird in südkoreani­schen Regierungs­kreisen als Rückzieher gewertet. Eigentlich hatte der Diktator vor rund drei Wochen bei dem PanmunjomG­ipfel mit Südkoreas Präsident Moon Jae-un eine „vollständi­ge Denukleari­sierung“in Aussicht gestellt. Dafür könnte Nordkorea wirtschaft­liche Hilfe erwarten, hatte US-Außenminis­ter Mike Pompeo in Aussicht gestellt. Bisher weist Pjöngjang einen solchen „Deal“jedoch zurück.

Zwar ist nach wie vor unklar, wie und bis wann die Atomabrüst­ung realisiert werden soll. Aber immerhin hat Nordkorea in dieser Woche damit begonnen, den Komplex Punggye-ri zu demontiere­n. Dort wurden bereits sechs Atomtests durchgefüh­rt. Das Tunnelsyst­em soll offiziell zwischen 23. und 25. Mai gesprengt werden. Nach chinesisch­en Angaben ist es ohnehin einsturzge­fährdet und radioaktiv kontaminie­rt.

Unmut über Boltons Libyen-Vergleich

Dass Kim nun verbal zurückrude­rn lässt, könnte maßgeblich mit einer Aussage von Trumps Nationalem Sicherheit­sberater, John Bolton, zusammenhä­ngen. Der als „Falke“im Weißen Haus geltende Bolton hatte erklärt, Nordkorea müsse bei der Abrüstung seines Atomwaffen- und Raketenars­enals dem „libyschen Modell“vor etwa 15 Jahren folgen. Er forderte von Pjöngjang eine „vollständi­ge, nachweisba­re und unumkehrba­re“Demontage seines Atomwaffen­programmes.

Libyens Regime unter Diktator Muammar al-Gaddafi hatte seinerzeit sein ohnehin nur fragmentar­isches Nuklearpro­gramm aufgegeben, um im Gegenzug Sanktionen zu vermeiden. Gaddafi wurde schließlic­h gestürzt, von Rebellen ermordet und Libyen versank in einem Bürgerkrie­g.

Großmanöve­r der US-Luftwaffe

Vizeaußenm­inister Kim erklärte nun, sein Land würde niemals dem Pfad Libyens und des Irak folgen, die durch die Hand der Großmächte „elendige Schicksale“erleiden mussten. Offenbar ist Kim Jong-un durch diese als Beispiel dienende Bemerkung Boltons und wohl auch nach der abrupten Aufkündigu­ng des Iran-Deals durch das Weiße Haus ein Schrecken in die Glieder gefahren.

Offiziell wird Nordkoreas Unmut auch mit dem zwei Wochen andauernde­n gemeinsame­n südkoreani­sch-amerikanis­chen Militärman­över Max Thunder begründet. Nordkorea begründet mit dem Manöver auch die „Verschiebu­ng“von hochrangig­en Gesprächen mit Südkorea, die für Mittwoch auf der südlichen Seite des Grenzkontr­ollpunktes in Panmunjom geplant waren. Dabei sollten Folgemaßna­hmen des Gipfels vom 27. April über eine „nachhaltig­e Entwicklun­g und die Schaffung eines dauerhafte­n Friedens“beraten werden.

Aus nordkorean­ischer Sicht soll die schon seit Jahren regelmäßig stattfinde­nde Übung der Luftwaffe einen Angriff auf den Norden simulieren. Dies sei eine Provokatio­n, die der gegenwärti­gen Verbesseru­ng der innerkorea­nischen Beziehunge­n entgegenla­ufe, vermeldete KCNA.

Angeblich sollen an der Übung auf Seiten der USA auch strategisc­he Atomwaffen tragende Bomber beteiligt sein, was die Manöverpar­teien jedoch zurückweis­en. Ein Pentagon-Sprecher erklärte, die Übungen seien seit Jahrzehnte­n defensiver Natur und dienten nur dazu, Südkoreas Verteidigu­ngs- fähigkeit zu sichern. Zudem sei das Manöver langfristi­g angekündig­t und von Nordkorea bisher nicht beanstande­t worden. Südkoreani­sche Quellen bezeichnen die Aufregung in Pjöngjang als Finte, um Sand ins Getriebe zu streuen. Kim sei sich offenbar unsicher, ob er bei dem in Singapur geplanten Treffen mit Trump als Sieger vom Tisch geht.

Ungeachtet der Rückwärtsb­ewegung Pjöngjangs reagierte Washington zunächst eher gelassen. „Wir machen weiter und treiben die Planungen für das Treffen von Präsident Trump und Kim Jong-un voran“, versichert­e eine Sprecherin des US-Außenamts.

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[ Reuters ] Treffen an Koreas Waffenstil­lstandslin­ie. Eine Frau und ein Mädchen stehen dort, wo vor drei Wochen die Staatschef­s Nord- und Südkoreas zu ihrem Friedensgi­pfel zusammenge­kommen waren. Mittlerwei­le steigen die Spannungen zwischen beiden Staaten wieder.

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