Zwei Schritt nach vorn, einer zurück
Regierung. Die Kassenreform ist nicht der erste Punkt, bei dem Türkis-Blau einen Rückzieher macht. Auch bei den Deutschklassen, dem Familienbonus oder den Sparplänen in der Justiz schwächte man die Pläne nach Protesten wieder ab.
Die Kassenreform ist nicht der einzige Punkt, bei dem Türkis-Blau einen Rückzieher macht.
Ist die Regierung dünnhäutig? Oder einfach nur offen für Verbesserungsvorschläge? Jedenfalls: Wenn sich ein roter Faden durch die ersten fünf türkis-blauen Monate zieht, dann der: Die Bundesregierung kündigt weitgehende Reformen an, rückt dann aber nach Protesten in Teilen wieder davon ab. Speed kills, mit dem Kopf durch die Wand wie Wolfgang Schüssel, das war gestern.
Kassen
Die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt (AUVA) dürfte erhalten bleiben, obwohl Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) deren Auflösung in Aussicht gestellt hat. Die breiten Proteste haben offenbar Wirkung gezeigt. Noch gestern wurden 200.000 Unterschriften gegen die „Zerschlagung der AUVA“übergeben. Wobei die ÖVP stets darauf verwiesen hat, dass eine AUVA-Zerschlagung gar nicht ihr Plan gewesen sei.
Sehr wohl aber stand die Selbstverwaltung der Kassen in der Regierung zur Disposition. Auch diese soll in der ursprünglichen Form erhalten bleiben. In die Verwaltungsräte der einzelnen Träger dürften doch keine Regierungsvertreter einziehen. Und auch die Sozialversicherungsbeiträge sollen weiterhin von den Kassen und nicht vom Finanzministerium eingehoben werden (die Länder, heißt es, hätten hier ein Veto eingelegt).
Pflege
Die Regierung hatte ein hartes Sparbudget versprochen – und wurde doch weich. Zuerst waren 100 Millionen Euro seitens des Bundes als Abgeltung für die Länder gedacht, weil der Pflegeregress abgeschafft wurde. Der Protest aus den Ländern kam geschlossen – also trat die Regierung in Verhandlungen mit diesen, um einen Kompromiss zu finden. Dieser ist zwar noch nicht in Sicht, grundsätzlich hieß es seitens des Bundes aber, man wolle die für die Länder entstehenden zusätzlichen Kosten „realistisch“decken. Diese wurden seitens der Länder mit bis zu 600 Millionen Euro pro Jahr beziffert.
Familienbonus
FPÖ und ÖVP präsentierten stolz den sogenannten Familienbonus – ein steuerlicher Bonus von 1500 Euro pro Kind. Nach massiver Kritik gab es dann doch einige Korrekturen: Geld gibt es jetzt auch für Studenten, für Kinder im EU-Ausland und Geringverdiener. Ein Fauxpas passierte Türkis-Blau im ersten Entwurf in Bezug auf Alleinerziehende. Diese wurden vergessen – nach einer weiteren Änderung können sie den Familienbonus nun auch selbst beziehen.
Deutschklassen
Am heutigen Donnerstag wird mit den Deutschklassen ein türkisblaues Prestigeprojekt im Parlament beschlossen – allerdings in abgeschwächter Form im Vergleich zum Begutachtungsentwurf und noch mehr zum Koalitionsübereinkommen. Denn die Deutschklassen werden nach Kritik nun doch weniger Schüler be- suchen müssen als ursprünglich geplant. Es werden nicht alle Schüler mit Deutschdefiziten in solchen sitzen, sondern nur Schulanfänger mit Deutschschwierigkeiten und Quereinsteiger, die während des Schuljahres aus dem Ausland nach Österreich kommen.
Außerdem müssen diese Klassen erst ab acht betroffenen Schülern eingerichtet werden und nicht schon ab sechs. Statt der 233 zuvor prognostizierten zusätzlichen Klassen wird es nun doch nur 80 geben.
Richter
Der Überstand von 40 Richtern gegenüber dem Personalplan sollte nach der Ursprungsidee der Regie- rung aufgelöst werden. Auch eine Kürzung des Gerichtspraktikums für Jungjuristen von sieben auf fünf Monate stand im Raum.
Die Richter gingen gegen die Pläne auf die Barrikaden. Und erklärten, gerade heuer wegen der Umsetzung des im Juli in Kraft tretenden neuen Sachwalterrechts keine Posten entbehren zu können. Apropos: Kurz schaute es im Februar sogar so aus, als würde die Reform des Sachwalterrechts aus finanziellen Gründen verschoben werden, aber auch davon ging die Regierung nach Protesten von Sachwaltervereinen wieder ab.
Der Überstand von 40 Richtern bleibt nun bis auf Weiteres auch. Und das Gerichtsjahr dauert weiterhin sieben Monate und soll durch das Auflösen von Rücklagen finanziert werden.