Die Presse

Die Verstaatli­chung des Asylwesens

Türkis-Blau. Eine Agentur des Innenminis­teriums soll die Flüchtling­srechtsber­atung übernehmen, wenn diese gegen Ministeriu­msbescheid­e Beschwerde einlegen wollen.

- VON ANNA THALHAMMER

Wenn es um das Thema Asyl geht, will die Regierung, dass alles aus einer Hand kommt. Nämlich aus der eigenen türkisblau­en. Darum soll nun eine „Bundesagen­tur für Betreuungs- und Unterstütz­ungsleistu­ngen“geschaffen werden.

Dagegen stemmen sich nun mehrere NGOs, die sich über die Plattform Menschen.Würde.Österreich zusammenge­schlossen haben. Initiator dieser Plattform ist der ehemalige, ÖVP-nahe Flüchtling­skoordinat­or Christian Konrad. Die neue Agentur soll im Asylwesen Betätigung­sfelder übernehmen, die bisher zu einem Gutteil von NGOs besetzt waren. Das wäre etwa die Betreuung von Asylwerber­n. FPÖ-Innenminis­ter Herbert Kickl hat angekündig­t, staatliche Großquarti­ere einzuricht­en, in denen Flüchtling­e während des laufenden Asylverfah­rens untergebra­cht werden sollen. Bisher werden diese meist von privaten Anbietern zur Verfügung gestellt und von NGOs wie Caritas, Volkshilfe oder Diakonie betreut.

NGOs protestier­en

Außerdem soll die geplante staatliche Agentur künftig auch die Rückkehrbe­ratung und die verpflicht­ende Rechtsbera­tung von Flüchtling­en übernehmen. Letztere ist derzeit so geregelt, dass Asylwerber bei Erhalt eines negativen Bescheids Anspruch auf Rechtsbera­tung haben, die dann auch eben jene negativen Bescheide beeinspruc­ht, wenn gewünscht. Pikantes Detail: Fast die Hälfte aller negativen Bescheide wurden im Jahr 2017 dann vom Bundesverw­altungsger­icht doch positiv beschieden.

Die verpflicht­ende Rechtshilf­e wird derzeit von NGOs angeboten. Der größte Anbieter ist der Verein für Menschenre­chte Österreich (VMÖ), an dem es immer wieder massive Kritik gegeben hat. So berichtete „Die Presse“etwa über einen Asylbetreu­er, der Flüchtling­en positive Asylbesche­ide gegen Geld angeboten hat. Wenn das Innenminis­terium derartige Probleme nun also damit lösen will, die Beratung über eine Agentur selbst anzubieten, entstünde dadurch aber eine andere Problemati­k: Die Beschwerde­n würden dann von derselben Stelle abgewickel­t, über die man sich beschwert.

Die Plattform richtet sich nun mit einem offenen Brief an die Bundesregi­erung, appelliert, eine unabhängig­e Rechtsbera­tung im Asylverfah­ren zu sichern, und sieht das Grundrecht auf ein faires Verfahren bedroht. Der Brief wurde von etlichen Größen aus Justiz, Kirche, Kunst und Kultur, aber auch etlichen Opposition­spolitiker­n unterschri­eben. Am Mittwoch wurde außerdem eine Petition gestartet.

Dass die türkis-blaue Regierung von NGOs in Dingen Asyl nicht immer die beste Meinung hat – und diese teils uneinheitl­ich ist –, ist evident. So sprach Sebastian Kurz (damals noch Außenminis­ter) vor rund einem Jahr davon, dass „der NGO-Wahnsinn beendet werden muss“. Gemeint waren die Rettungsak­tionen im Mittelmeer. Auch Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache übte in dem Zusammenha­ng mehrfach Kritik an NGOs – und diese wiederum an ihm.

Noch kein Zeitplan

Welche Aufgaben die Asylagentu­r dann wirklich haben soll, wird derzeit im Innenminis­terium erarbeitet. „Es gibt noch kein fixes Modell, die Rechtsstaa­tlichkeit wird aber erhalten bleiben“, heißt es aus dem Ministeriu­m von Herbert Kickl. Auch aus dem Büro von ÖVP-Staatssekr­etärin Karoline Edtstadler, die früher Richterin am Europäisch­en Gerichtsho­f für Menschenre­chte war, wird bekräftigt: „Wir werden die Unabhängig­keit und Weisungsfr­eiheit sicherstel­len.“Wann die Asylagentu­r nun ihre Aufgabe aufnehmen soll, ist offen – „im Laufe der Periode“jedenfalls, heißt es.

Newspapers in German

Newspapers from Austria