Warum Großprojekte scheitern
Misswirtschaft. Prestigeprojekte der öffentlichen Hand laufen oft aus dem Ruder. Wiener Experten haben die Ursachen analysiert und entwickelten „10 Gebote“gegen ein Baufiasko.
Skylink, Wiener Stadthallenbad, Krankenhaus Nord: Es sind nur drei Symbole für Millionenprojekte der öffentlichen Hand, die völlig aus dem Ruder gelaufen sind. Aber warum enden Großprojekte der öffentlichen Hand laufend in einem Desaster?
Eine hochrangige Expertengruppe hat gescheiterte Projekte analysiert und zehn Gebote entwickelt, um ein Entgleisen von Großprojekten künftig zu verhindern. „Wenn ein Bauherr nur zwei dieser zehn Thesen mit ,Jein‘ oder ,Nein‘ beantwortet, soll er nicht zu bauen beginnen. Sonst erlebt er solche Dinge, die wir immer wieder in der Zeitung lesen“, erklärt Matthias Rant, Präsident des Hauptverbandes der gerichtlich beeideten Sachverständigen, der „Presse“. Gerade der Verstoß gegen diese „Zehn Gebote“, die Rant heute, Donnerstag, mit Gerald Goger (Professor der TU Wien) und Wilhelm Reismann (Honorarprofessor der TU Wien) ab 9 Uhr im Kuppelsaal der TU Wien präsentiert, hätte Kostenexplosionen bei Großprojekten ausgelöst, so der Experte: 1. Kompetentes Personal. Hat der Auftraggeber kompetentes Personal eingesetzt? Verfügt die Leitung über „die unbedingt erforderlichen menschlichen Führungsqualitäten“? Das klingt selbstverständlich. Beim Spital Nord hatte der Rechnungshof aber eine völlige Überforderung des Managements diagnostiziert. Wobei Rant zum Spital Nord jede Aussage verweigert, nachdem er dort als Sachverständiger hinzugezogen wurde, um das Desaster aufzuarbeiten.
2. Klare Entscheidungen. Wer das Projekt leitet, muss notwendige Entscheidungen sofort treffen können. Bei einem Gremium gebe es dagegen Verzögerungen, so Rant. Dort kämpfe niemand aktiv für eine Entscheidung, „weil am Ende niemand persönlich schuld sein will, falls es die falsche war“. Nachsatz: „Wenn ein Gremium entscheidet, ist dort niemand schuld, weil niemand klar verantwortlich ist.“Das sei aber die häufigste Form bei der öffentlichen Hand.
3. Schnelle Entscheidungen. Entscheidungen müssen schnell getroffen werden. Dazu braucht es eine verantwortliche Person. Bei Großprojekten der öffentlichen Hand steht oft eine dringende Entscheidung an, die Gremien tagen aber erst Wochen nach der Deadline – derweil steht das Projekt; oder läuft aus dem Ruder.
4. Realistische Grundlagen. Sind Grundlagen wie Ziele, Termine etc. klar definiert? Wird auf einer realistischen Grundlage kalkuliert? Hintergrund: Oft werden Projektkosten von der Politik billiger angegeben, um sich keiner Kritik bzw. Diskussion über die Kosten auszusetzen – was den Projektstart verzögern würde. Und wenn die Kosten Jahre später explodieren, ist der zuständige Politiker meist nicht mehr im Amt.
5. Organisation. Gerade komplexe Aufgaben brauchen eine einfache, durchschaubare Organisation.
6. Abläufe. Laufen alle (Arbeits-) Prozesse logisch und effizient ab?
7. Keine Umplanungen. Werden die Anforderungen für Nutzung und Betrieb eines z. B. Flughafens rechtzeitig in Planung und Ent- wicklung einbezogen? Werden nachträgliche Änderungen tunlichst vermieden? Denn große Umplanungen während des Baus seien der Tod eines Projektes, so Rant. Dann würden die Kosten davonrennen.
8. Transparenz. Gibt es eine umfassende, objektive Dokumentation – damit alle Baufirmen damit arbeiten können?
9. Verträge. Sind die Verträge so formuliert, dass Missverständnisse und Streitfälle beim Zusammenspiel der unzähligen Firmen auf der Baustelle von Großprojekten nicht auftreten können?
10. Wissen weitergeben. Werden die Erfahrungen einer Projektphase an die nächste weitergegeben? Oder muss diese mit Bruchstücken auskommen?
Nebenbei: Wie wichtig diese Regeln sind, zeigte eine Untersuchung von mehr als 2000 Großprojekten aus 104 Ländern der Universitäten Oxford und Harvard. Die verheerende Bilanz: Nicht einmal ein Viertel der Projekte lief nach Plan.