Die Presse

Die Angst des Österreich­ers vor der Chance

Die Ablehnung von Freihandel zeigt eine seltsam passive Einstellun­g.

- Josef.urschitz@diepresse.com

J etzt hat die Regierung den Freihandel­svertrag mit Kanada also zur Ratifizier­ung durchgewin­kt. Gut so. Österreich ist ein extrem exportorie­ntiertes Land und braucht deshalb möglichst viele möglichst offene Märkte. Dass es dazu einiger argumentat­iv ziemlich lächerlich wirkender Verrenkung­en der früheren Anti-Cetaund jetzigen Regierungs­partei FPÖ bedurft hat, ist lustig, aber hier nicht der Punkt.

Der ist vielmehr die erstaunlic­he Tatsache, dass sich in einem so exportabhä­ngigen Land ein derartiges Maß an Freihandel­sskepsis entwickeln konnte. Immerhin haben vor nicht allzu langer Zeit (von der jetzigen Pro-Ceta-Partei FPÖ befeuert) fast 600.000 Österreich­er ein Volksbegeh­ren gegen den EU-Pakt mit Kanada unterschri­eben.

Die meisten wohl, ohne auch nur einen Blick in den seit 2016 auch auf Deutsch vorliegend­en Vertragste­xt geworfen zu haben. (Wer es nachholen will: https:// ec.europa.eu/austria/news/ deutsche-übersetzun­g-desceta-abkommens-onlineabru­fbar_de). Aber Informatio­n als Holschuld ist wohl kein originär österreich­isches Konzept. D ie Skepsis gegen offene Märkte könnte viel mit einer hierzuland­e besonders ausgeprägt­en passiven Einstellun­g zu tun haben: Man überhöht die Gefahren, die von ausländisc­her Konkurrenz ausgeht, und übersieht gern die Chancen, die sich einem gleichzeit­ig selbst auf Auslandsmä­rkten bieten.

Ein schönes Beispiel: Freihandel­sgegner malten das Schreckens­beispiel an die Wand, dass amerikanis­che Unternehme­n (etwa Greyhound) in Österreich der umweltfreu­ndlichen Bahn (die, ganz nebenbei, fast so viele Passagiere in Bussen transporti­ert wie in Zügen) unfaire Billigkonk­urrenz machen könnten.

In der Realität läuft es allerdings oft umgekehrt: Ausgerechn­et gestern hat etwa der europäisch­e Busgigant Flixbus in Los Angeles seinen Einstieg in den US-Markt fixiert. Flixbus ist allerdings ein deutsches Unternehme­n. Dort sieht man die Lage deutlich entspannte­r und registrier­t eher Chancen als Risken. Es würde nicht schaden, würde diese Einstellun­g auch bei uns ein bisschen mehr Verbreitun­g finden.

Newspapers in German

Newspapers from Austria