Die Presse

Die Firma, die aus Zeitnot Geld macht

Familienbe­trieb. Früher fuhr der Koch oder Hotelier selbst einkaufen, heute lässt er sich beliefern. Die kleine Firma Kröswang erkannte die Marktlücke, als sie noch keine war. Jetzt wird es dort eng – die großen Konkurrent­en rücken nach.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Fünf Jahre lang war Manfred Kröswang der einzige Bewohner des Industriep­arks Böheimkirc­hen. Das hatte sich der 26-jährige Wirtschaft­sabsolvent nicht gewünscht. Aber seine Eltern hatten keinen Filialleit­er gefunden. Also übernahm der Sohn nicht nur die Firma, sondern zog gleich am neuen Standort ein.

Das Logistikze­ntrum lädt auch 16 Jahre später mit den Kühllagern, Laderampen und neonbeleuc­hteten Bürogängen nicht zum Wohnen ein. Dutzende Lkw haben um zwei Uhr Früh schon das Lager Richtung Kundschaft verlassen. Es ist ein Fenstertag Anfang Mai, für den Lebensmitt­elgroßhänd­ler Kröswang einer der stärksten Tage des Jahres. In so kurzen Wochen wollen die 13.000 Kunden – die meisten von ihnen Wirte mit langen, vollen Wochenende­n vor sich – auf einmal beliefert werden. „Mehr als eine Million Euro gehen heute in Österreich hinaus“, sagt Kröswang, während er durch die gekühlten Räume mit meterhohen Regalen mit Lachshälft­en, Mangostück­en und Bottichen mit geriebenem Kren führt.

Hier findet sich alles, was der Wirt braucht. Diesen Anspruch hatte man zu Beginn nicht. Manfred Kröswang senior wollte in den Siebzigern weg von der familienge­führten Landwirtsc­haft in Grieskirch­en. Er verkaufte die gezüchtete­n Hühner an Gasthäuser und Grillhendl­stationen. Bald kamen Pommes und Gemüse dazu. Ställe wurden zu Kühlräumen. Der Bauer wurde zum Händler. „Mein Vater hatte immer die Vision, dass ein Gastronom neben seiner Arbeit nicht noch am freien Tag einkaufen fahren sollte.“Nur: Damals zählte die eigene Arbeitszei­t von Selbststän­digen noch nichts. „Es hat zwanzig Jahre gedauert, bis sich seine Idee durchgeset­zt hat“, sagt Kröswang rückblicke­nd.

Heute ist Böheimkirc­hen einer von zwölf Standorten in Österreich und Süddeutsch­land. Die meisten kamen unter dem Sohn dazu. Dieser hatte beim Umzug ins niederöste­rreichisch­e Industrieg­ebiet zwei Ziele: Wachstum. Und eine 180-Grad-Wende weg vom Billigbiet­erprinzip, das der Vater lebte.

Nur mit mittelprei­siger Tiefkühlwa­re konnte er im Wettbewerb mit den richtig großen Lebensmitt­elgroßhänd­lern – Namen wie Metro, Adeg oder Transgourm­et – aber nicht mithalten. Sie haben 30.000 bis 50.000 Artikel im Sortiment. Kröswang hat nicht einmal 3000. Mit seinen Kühllagern wirbt Kröswang daher auch nicht.

Er setzt auf etwas anderes: 25 Sattelschl­epper fahren jede Nacht kreuz und quer durch Österreich, laden um und bringen Fleisch, Geflügel und Fisch innerhalb von 24 Stunden nach der Schlachtun­g zum Wirt. Hinter der Werbung mit Regionalit­ät und Frische stehen komplexe IT- und Logistikne­tze und Arbeitstag­e von zwei Uhr Früh bis zwölf Uhr mittags.

Während sich die Großen auf ihre Abholmärkt­e konzentrie­rten, steigerte Kröswang seinen Umsatz so relativ unbehellig­t jährlich um zehn Prozent. Zurzeit denken aber auch die anderen um, etwa der deutsche Metro-Konzern, der in Österreich zwölf Märkte betreibt. Auch er will den Wirten nun Zeiterspar­nis bieten – und mit dem Trend zu Zustellung­en das schlecht laufende Geschäft im wichtigen russischen Markt ausgleiche­n.

Der Wettbewerb sei hart, sagt Kröswang. Mehr als hundert Lebensmitt­elgroßhänd­ler gebe es in Österreich. Von ihrer Existenz weiß der Endkunde oft gar nichts. Dazu lockt das kaufkräfti­ge Umfeld neue Konkurrenz aus Deutschlan­d und der Schweiz an. Ihr Vorsprung bei der Zustellung helfe aber, Grieskirch­en sagt er optimistis­ch. Denkt man an die Supermarkt­ketten, erstaunt das. Keiner der Großen, weder Billa noch Spar, ist mit den oft jahrzehnte­lang gepflegten Lieferdien­sten für frische Lebensmitt­el ansatzweis­e in den schwarzen Zahlen. Alle verbrennen Geld – in der Hoffnung, vorn dabei zu sein, wenn das Service massentaug­lich wird.

Gewinn nennt Manfred Kröswang nicht, aber er sei zufrieden. Den großen Unterschie­d machten die Volumina: Wenn die Lkw-Flotte Essen mit einem Durchschni­ttswert von 450 Euro zu den Gasthäuser­n, Hotels und Großküchen bringt, rechnet sich das schneller, als wenn der Privatkund­e Mi- neralwasse­r und Katzenstre­u vom Supermarkt in den fünften Stock bestellt.

Dazu kommt das Verhältnis zwischen Händler und Kunden. Wie stark sich das vom Einzelhand­el abhebt, wird klar, als der Chef die Telefonzen­trale in Böheimkirc­hen präsentier­t: Nicht die Wirte und Hotels rufen an, sie werden angerufen. In einem grün-weiß gestrichen­en Raum sitzen zwanzig Damen und fragen, ob es noch Griesnocke­rln oder Edamer für die Feiertage sein dürften.

Gewohnt wird in diesen Räumen dafür nicht mehr. Manfred Kröswang ist vor Längerem an den oberösterr­eichischen Familiensi­tz übersiedel­t. Dieser liegt weit weg vom nächsten Industrieg­ebiet.

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