Die Firma, die aus Zeitnot Geld macht
Familienbetrieb. Früher fuhr der Koch oder Hotelier selbst einkaufen, heute lässt er sich beliefern. Die kleine Firma Kröswang erkannte die Marktlücke, als sie noch keine war. Jetzt wird es dort eng – die großen Konkurrenten rücken nach.
Fünf Jahre lang war Manfred Kröswang der einzige Bewohner des Industrieparks Böheimkirchen. Das hatte sich der 26-jährige Wirtschaftsabsolvent nicht gewünscht. Aber seine Eltern hatten keinen Filialleiter gefunden. Also übernahm der Sohn nicht nur die Firma, sondern zog gleich am neuen Standort ein.
Das Logistikzentrum lädt auch 16 Jahre später mit den Kühllagern, Laderampen und neonbeleuchteten Bürogängen nicht zum Wohnen ein. Dutzende Lkw haben um zwei Uhr Früh schon das Lager Richtung Kundschaft verlassen. Es ist ein Fenstertag Anfang Mai, für den Lebensmittelgroßhändler Kröswang einer der stärksten Tage des Jahres. In so kurzen Wochen wollen die 13.000 Kunden – die meisten von ihnen Wirte mit langen, vollen Wochenenden vor sich – auf einmal beliefert werden. „Mehr als eine Million Euro gehen heute in Österreich hinaus“, sagt Kröswang, während er durch die gekühlten Räume mit meterhohen Regalen mit Lachshälften, Mangostücken und Bottichen mit geriebenem Kren führt.
Hier findet sich alles, was der Wirt braucht. Diesen Anspruch hatte man zu Beginn nicht. Manfred Kröswang senior wollte in den Siebzigern weg von der familiengeführten Landwirtschaft in Grieskirchen. Er verkaufte die gezüchteten Hühner an Gasthäuser und Grillhendlstationen. Bald kamen Pommes und Gemüse dazu. Ställe wurden zu Kühlräumen. Der Bauer wurde zum Händler. „Mein Vater hatte immer die Vision, dass ein Gastronom neben seiner Arbeit nicht noch am freien Tag einkaufen fahren sollte.“Nur: Damals zählte die eigene Arbeitszeit von Selbstständigen noch nichts. „Es hat zwanzig Jahre gedauert, bis sich seine Idee durchgesetzt hat“, sagt Kröswang rückblickend.
Heute ist Böheimkirchen einer von zwölf Standorten in Österreich und Süddeutschland. Die meisten kamen unter dem Sohn dazu. Dieser hatte beim Umzug ins niederösterreichische Industriegebiet zwei Ziele: Wachstum. Und eine 180-Grad-Wende weg vom Billigbieterprinzip, das der Vater lebte.
Nur mit mittelpreisiger Tiefkühlware konnte er im Wettbewerb mit den richtig großen Lebensmittelgroßhändlern – Namen wie Metro, Adeg oder Transgourmet – aber nicht mithalten. Sie haben 30.000 bis 50.000 Artikel im Sortiment. Kröswang hat nicht einmal 3000. Mit seinen Kühllagern wirbt Kröswang daher auch nicht.
Er setzt auf etwas anderes: 25 Sattelschlepper fahren jede Nacht kreuz und quer durch Österreich, laden um und bringen Fleisch, Geflügel und Fisch innerhalb von 24 Stunden nach der Schlachtung zum Wirt. Hinter der Werbung mit Regionalität und Frische stehen komplexe IT- und Logistiknetze und Arbeitstage von zwei Uhr Früh bis zwölf Uhr mittags.
Während sich die Großen auf ihre Abholmärkte konzentrierten, steigerte Kröswang seinen Umsatz so relativ unbehelligt jährlich um zehn Prozent. Zurzeit denken aber auch die anderen um, etwa der deutsche Metro-Konzern, der in Österreich zwölf Märkte betreibt. Auch er will den Wirten nun Zeitersparnis bieten – und mit dem Trend zu Zustellungen das schlecht laufende Geschäft im wichtigen russischen Markt ausgleichen.
Der Wettbewerb sei hart, sagt Kröswang. Mehr als hundert Lebensmittelgroßhändler gebe es in Österreich. Von ihrer Existenz weiß der Endkunde oft gar nichts. Dazu lockt das kaufkräftige Umfeld neue Konkurrenz aus Deutschland und der Schweiz an. Ihr Vorsprung bei der Zustellung helfe aber, Grieskirchen sagt er optimistisch. Denkt man an die Supermarktketten, erstaunt das. Keiner der Großen, weder Billa noch Spar, ist mit den oft jahrzehntelang gepflegten Lieferdiensten für frische Lebensmittel ansatzweise in den schwarzen Zahlen. Alle verbrennen Geld – in der Hoffnung, vorn dabei zu sein, wenn das Service massentauglich wird.
Gewinn nennt Manfred Kröswang nicht, aber er sei zufrieden. Den großen Unterschied machten die Volumina: Wenn die Lkw-Flotte Essen mit einem Durchschnittswert von 450 Euro zu den Gasthäusern, Hotels und Großküchen bringt, rechnet sich das schneller, als wenn der Privatkunde Mi- neralwasser und Katzenstreu vom Supermarkt in den fünften Stock bestellt.
Dazu kommt das Verhältnis zwischen Händler und Kunden. Wie stark sich das vom Einzelhandel abhebt, wird klar, als der Chef die Telefonzentrale in Böheimkirchen präsentiert: Nicht die Wirte und Hotels rufen an, sie werden angerufen. In einem grün-weiß gestrichenen Raum sitzen zwanzig Damen und fragen, ob es noch Griesnockerln oder Edamer für die Feiertage sein dürften.
Gewohnt wird in diesen Räumen dafür nicht mehr. Manfred Kröswang ist vor Längerem an den oberösterreichischen Familiensitz übersiedelt. Dieser liegt weit weg vom nächsten Industriegebiet.