Lögers Mühen mit der Wiener Börse
Kapitalmarkt. Finanzminister Löger will den österreichischen Kapitalmarkt aufwerten und ihn für KMU öffnen. Ob seine Reform etwas bringen kann? Experten sind sich weder sicher noch einig.
Die Wiener Börse ist nicht unbedingt eine Erfolgsstory. Neue Notierungen sind selten. Daran ändert auch der Börsengang der Bawag, der größte in der Geschichte der Wiener Börse, im Jahr 2017 nichts. Deutlich mehr Unternehmen haben in letzter Zeit der Wiener Börse den Rücken zugekehrt. Allein in den vergangenen zwei Jahren löschten 16 Unternehmen (2017 sechs und 2016 zehn Firmen) ihre Notierung.
Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) ist die Misere bewusst. Er will den heimischen Kapitalmarkt mit einer im Herbst geplanten Gesetzesnovelle aufwerten. Vor wenigen Wochen gab er bekannt, dass er vor allem Klein- und Mittelbetrieben (KMU) die Möglichkeit geben will, sich auf dem sogenannten Dritten Markt der Wiener Börse Kapital zu beschaffen. Dieses Segment ist für Kapitalmarkteinsteiger gedacht, weil – im Unterschied zu den geregelten Märkten – die Zugangsvoraussetzungen relativ gering sind.
Dennoch ist in Österreich dieser Dritte Markt für KMU aufgrund rechtlicher Hürden quasi unzugänglich. Diese Barrieren will die Regierung beseitigen, und sie orientiert sich dabei an Deutschland. Dort hat man bereits vor drei Jahren eine rechtlich tragfähige Lösung für Aktien von KMU gefunden, die auch hierzulande praktikabel erscheint. Konkret sollen die Besitzverhältnisse an Aktien schlicht in einer Sammelurkunde dokumentiert werden, die bei der Kontrollbank hinterlegt wird. Auf diese Weise wird man den Geldwäschebestimmungen gerecht, gleichzeitig bleibt der Aufwand für KMU überschaubar. Löger verspricht sich von den geplanten Maßnahmen viel: „Die Nachfrage der KMU ist enorm“, sagt er.
„Die Idee ist prinzipiell nicht schlecht“, sagt Friedrich Mostböck, Head of Group Research der Erste Bank, zu den Plänen des Finanzministers. Er glaubt, dass der Dritte Markt vor allem für KMU aus dem Technologiebereich interessant sein könnte. „Mit einer Notierung haben sie jedenfalls einmal einen Marktpreis und den Fuß in der Tür der Börse“, sagt er.
Auch Harald Hagenauer, Investor Relations Manager bei der Post AG, findet, dass es hoch an der Zeit ist, dem Dritten Markt in Wien endlich wieder Leben einzuhauchen. „An jeder Börse der Welt ist es Normalzustand, ein solches Segment für kleinere Unternehmen zu haben. In Wien hat das gefehlt.“Allerdings glaubt er nicht daran, dass die geplante Gesetzesnovelle kurzfristig „einen Boost auf dem heimischen Kapitalmarkt bewirken wird“. Das könne sich allerdings ändern, meint der Experte, wenn die Niedrigzinsphase ein Ende habe. Denn derzeit ist es leicht möglich, zu guten Konditio- nen an Fremdkapital zu kommen. „Das wird nicht so bleiben. Wenn die Zinsen steigen, ist es ein Vorteil, wenn Unternehmen an der Börse zu Fremdkapital kommen.“
Anders beurteilt Leo Chini, Professor am Institut für KMU-Management an der WU-Wien, die geplanten Neuerungen: „Der Großteil der KMU ist überhaupt nicht dafür konzipiert, an die Börse zu gehen, weil sie zu klein sind, schwankende Umsätze und Gewinne haben.“Mit einem einfacheren Zugang zur Börse sei es keineswegs getan, betont er: „Die entscheidende Frage ist doch, ob es auch Investoren gibt, die bereit sind, Anteile an KMU zu kaufen. Aktien an einem einzelnen KMU zu erwerben stellt in der Regel ein unverantwortbares Risiko dar. Kein vernünftiger Investor wird bereit sein, es einzugehen“, so Chini. Es müssten sich erst einmal Fonds finden, die sich an Hunderten KMU beteiligen und so eine Risikostreuung garantieren. Sein Fazit: „Es nützt nichts, KMU an die Börse zu locken, wenn es dort keine Nachfrage nach ihren Wertpapieren gibt. Im Übrigen kann es nicht die Aufgabe der Börse sein, jedem den Zugang zu ermöglichen. Sie sollte es als ihre Aufgabe verstehen, die Qualität der Emittenten sicherzustellen.“
Mostböck von der Erste Group sieht die Sache nicht so negativ. Er glaubt schon, dass man das Interesse von speziellen Investoren wecken könnte, würde man um sie nur gezielt werben. „Freilich, für große Anleger wie Pensionsfonds kommen KMU nicht in Betracht, sie haben ihre Vorschriften und können nur in Blue-Chip-Unternehmen investieren.“
Apropos „gezieltes Werben“: Dabei will der Finanzminister helfen. Er wird 2019 auf Roadshow gehen und in London, Paris und New York um Investoren buhlen. Das haben auch schon seine Vorgänger gemacht. Löger jedoch, so heißt es aus dem Ministerium, kooperiere dabei intensiv mit österreichischen Leitbetrieben und der Wiener Börse. Vor allem mit institutionelle Anlegern und Risikokapitalgebern will er Gespräche führen. Bei österreichischen Firmen wiederum will er Vorbehalten entgegentreten, Geld von ausländischen Investoren zu akzeptieren. Hier gebe es noch Berührungsängste.
Post-Manager Hagenauer begrüßt jede Anstrengung des Ministers, bei Roadshows zu werben. Allerdings sei es viel wichtiger, sich um die vielen mittelgroßen Unternehmen – und nicht nur um die Leitbetriebe des Landes wie Voest, Andritz oder OMV – zu kümmern: „Die großen Konzerne können sich ohnehin Werbung und Analysten leisten, die über sie schreiben. Für mittelgroße und kleine Firmen ist es viel schwieriger, auf der internationalen Kapitalmarktdrehscheibe Aufmerksamkeit zu bekommen.“