Wie die Guten die Großen verdrängen
Bei den 100 besten Börse-Unternehmen zeigt sich ein Trend: Kleine vom Rand der Branchen überrunden die Platzhirsche. Für Österreich holt sich die Post den Pokal.
Was zeichnet die besten börsenotierten Unternehmen aus? Die Größe allein ist nicht entscheidend, klar. Es geht aber auch nicht um Umsatzwachstum, Gewinn und Dividende, die nur Streiflichter auf den kurzfristigen Erfolg werfen. Für den langfristig orientierten Investor zählt anderes: eine hohe Verzinsung auf das eingesetzte Kapital, ein solides finanzielles Fundament und ein zukunftsträchtiges Geschäftsmodell. So sehen es zumindest die Schweizer Vermögensverwalter von Herens´ Quality Asset Management (HQAM; bisher CEAM). Sie nehmen Jahr für Jahr die 2500 größten gelisteten Firmen der Welt unter die Lupe und suchen unter ihnen die 100 wahren, oft verborgenen Stars.
Was aber zeichnet ein Ranking aus, das auf nachhaltigen Erfolg abzielt? Dass es sich nicht von einem Jahr aufs andere gravierend verändert. So spricht das Ergebnis für 2018, das der „Presse“exklusiv vorliegt, für die Qualität der Analyse: Das weltweit beste Unternehmen ist zum vierten Mal in Folge Infosys, der indische IT-Dienstleister. In Europa gebührt dem deutschen Großküchenausstatter Rational die Krone, die man ihm schon im Vorjahr aufgesetzt hat. Und in Österreich steht, ebenfalls zum zweiten Mal, die Post AG auf dem Siegerpodest (ohne jedoch zu den Top 100 der Welt zu zählen).
Aber auf längere Sicht – global analysiert wird seit 2014 – tut sich doch einiges. Fressen und gefressen werden, heißt es in der Tierwelt. Im Kreise der Topfirmen geht es etwas feiner zu: Der kleinere Spieler kommt von der Peripherie und knabbert die Großen im Zentrum an, bis er noch gesünder und kräftiger ist als jene. So hat der Onlinehandel von Amazon bis Zalando früheren Siegern wie H&M und Inditex (Zara) den Glanz geraubt. Was nicht heißt, dass sie nicht weiter gut liefen: „Es ist langsames Erodieren“, sagt Herens-´Experte Philipp Weckherlin. „Einen echten Abbruch haben wir bei unseren Top 100 noch nie erlebt.“
Vom Onlineboom profitiert freilich auch die heimische Post. Nur Glück? Nein, denn „sie nutzt den Trend bei den Paketen besser als andere“. Und sie zeige vor, dass auch ein „Staatskoloss“als Vorbild taugen kann: Österreichs Post habe „genau umgesetzt“, was die OECD für Teilprivatisierungen „zur Entflechtung vom Staat empfiehlt“, lobt Weckherlin.
Zuweilen verhilft auch ein Schock zu neuem Schwung. So sind seit der Krise Geschäftsmodelle am Rande der Finanzbranche voll erblüht, fernab der Großbanken und somit „weniger von Regulierung betroffen“. Davon zeugen die Schweizer Partners Group (ein Private-Equity-Verwalter), der USSieger SEI Investments (ein Finanzdienstleister für professionelle Anleger) und Euronext, der holländische Börsenbetreiber und Datenlieferant. Was machen sie anders? „Sie sind viel fokussierter und disziplinierter geführt als große Banken, die ständig umorganisieren und mit ihrem Kapital spielen.“Ähnlich sehe es auch im Ge- sundheitsbereich aus: Er stellt immer mehr Topfirmen, aber darunter findet sich kein einziger großer Pharmakonzern. „Für die Großen ist es schwierig, zu lernen und ihr Geschäftsmodell infrage zu stellen“, meint Weckherlin.
Sehr wohl etwas lernen lasse sich vom Ländervergleich. Das Zauberwort laute: Offenheit. Warum stellt Japan nun doppelt so viele Top-100-Firmen als noch vor vier Jahren (16 statt acht)? „Weil die Japaner immer mehr im Ausland produzieren und nicht mehr so vom Yen abhängig sind.“Überhaupt predigen die Berater das Verlagern und Outsourcen, weil es den Kapitaleinsatz senkt und damit die Verzinsung steigen lässt. Darüber freut sich der Aktionär. Aber kostet es nicht zu Hause Arbeitsplätze? „Das ist sehr kurzfristig gedacht. Von höherer Produktivität und besseren, billigen Produkten haben am Ende alle mehr.“
Die Schweiz habe sich als kleines Land mit wenig Platz die Weltoffenheit auf die Fahnen geschrieben. Mit Erfolg: Sie steuert drei Firmen zu den Top 100 bei; so viel schafft in Europa sonst nur Großbritannien. Dazu gehöre auch, Ausländer als Manager zuzulassen. „Alle guten Österreicher arbeiten bei uns“, behauptet Weckherlin. Mit sehr viel Augenzwinkern, versteht sich.