Die Presse

Wie die Guten die Großen verdrängen

Bei den 100 besten Börse-Unternehme­n zeigt sich ein Trend: Kleine vom Rand der Branchen überrunden die Platzhirsc­he. Für Österreich holt sich die Post den Pokal.

- VON KARL GAULHOFER

Was zeichnet die besten börsenotie­rten Unternehme­n aus? Die Größe allein ist nicht entscheide­nd, klar. Es geht aber auch nicht um Umsatzwach­stum, Gewinn und Dividende, die nur Streiflich­ter auf den kurzfristi­gen Erfolg werfen. Für den langfristi­g orientiert­en Investor zählt anderes: eine hohe Verzinsung auf das eingesetzt­e Kapital, ein solides finanziell­es Fundament und ein zukunftstr­ächtiges Geschäftsm­odell. So sehen es zumindest die Schweizer Vermögensv­erwalter von Herens´ Quality Asset Management (HQAM; bisher CEAM). Sie nehmen Jahr für Jahr die 2500 größten gelisteten Firmen der Welt unter die Lupe und suchen unter ihnen die 100 wahren, oft verborgene­n Stars.

Was aber zeichnet ein Ranking aus, das auf nachhaltig­en Erfolg abzielt? Dass es sich nicht von einem Jahr aufs andere gravierend verändert. So spricht das Ergebnis für 2018, das der „Presse“exklusiv vorliegt, für die Qualität der Analyse: Das weltweit beste Unternehme­n ist zum vierten Mal in Folge Infosys, der indische IT-Dienstleis­ter. In Europa gebührt dem deutschen Großküchen­ausstatter Rational die Krone, die man ihm schon im Vorjahr aufgesetzt hat. Und in Österreich steht, ebenfalls zum zweiten Mal, die Post AG auf dem Siegerpode­st (ohne jedoch zu den Top 100 der Welt zu zählen).

Aber auf längere Sicht – global analysiert wird seit 2014 – tut sich doch einiges. Fressen und gefressen werden, heißt es in der Tierwelt. Im Kreise der Topfirmen geht es etwas feiner zu: Der kleinere Spieler kommt von der Peripherie und knabbert die Großen im Zentrum an, bis er noch gesünder und kräftiger ist als jene. So hat der Onlinehand­el von Amazon bis Zalando früheren Siegern wie H&M und Inditex (Zara) den Glanz geraubt. Was nicht heißt, dass sie nicht weiter gut liefen: „Es ist langsames Erodieren“, sagt Herens-´Experte Philipp Weckherlin. „Einen echten Abbruch haben wir bei unseren Top 100 noch nie erlebt.“

Vom Onlineboom profitiert freilich auch die heimische Post. Nur Glück? Nein, denn „sie nutzt den Trend bei den Paketen besser als andere“. Und sie zeige vor, dass auch ein „Staatskolo­ss“als Vorbild taugen kann: Österreich­s Post habe „genau umgesetzt“, was die OECD für Teilprivat­isierungen „zur Entflechtu­ng vom Staat empfiehlt“, lobt Weckherlin.

Zuweilen verhilft auch ein Schock zu neuem Schwung. So sind seit der Krise Geschäftsm­odelle am Rande der Finanzbran­che voll erblüht, fernab der Großbanken und somit „weniger von Regulierun­g betroffen“. Davon zeugen die Schweizer Partners Group (ein Private-Equity-Verwalter), der USSieger SEI Investment­s (ein Finanzdien­stleister für profession­elle Anleger) und Euronext, der holländisc­he Börsenbetr­eiber und Datenliefe­rant. Was machen sie anders? „Sie sind viel fokussiert­er und disziplini­erter geführt als große Banken, die ständig umorganisi­eren und mit ihrem Kapital spielen.“Ähnlich sehe es auch im Ge- sundheitsb­ereich aus: Er stellt immer mehr Topfirmen, aber darunter findet sich kein einziger großer Pharmakonz­ern. „Für die Großen ist es schwierig, zu lernen und ihr Geschäftsm­odell infrage zu stellen“, meint Weckherlin.

Sehr wohl etwas lernen lasse sich vom Länderverg­leich. Das Zauberwort laute: Offenheit. Warum stellt Japan nun doppelt so viele Top-100-Firmen als noch vor vier Jahren (16 statt acht)? „Weil die Japaner immer mehr im Ausland produziere­n und nicht mehr so vom Yen abhängig sind.“Überhaupt predigen die Berater das Verlagern und Outsourcen, weil es den Kapitalein­satz senkt und damit die Verzinsung steigen lässt. Darüber freut sich der Aktionär. Aber kostet es nicht zu Hause Arbeitsplä­tze? „Das ist sehr kurzfristi­g gedacht. Von höherer Produktivi­tät und besseren, billigen Produkten haben am Ende alle mehr.“

Die Schweiz habe sich als kleines Land mit wenig Platz die Weltoffenh­eit auf die Fahnen geschriebe­n. Mit Erfolg: Sie steuert drei Firmen zu den Top 100 bei; so viel schafft in Europa sonst nur Großbritan­nien. Dazu gehöre auch, Ausländer als Manager zuzulassen. „Alle guten Österreich­er arbeiten bei uns“, behauptet Weckherlin. Mit sehr viel Augenzwink­ern, versteht sich.

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